Grüne Events – grün hinter den Ohren?

Trotz aller Bemühungen: Für Großveranstaltungen sind nach wie vor Unmengen an Energie notwendig

Kann umweltbewusstes Feiern Spaß machen? Wie macht man Festivals und Konzerte „grüner“? Diese Fragen stellte sich Jacob Bilabel vor einigen Jahren. Er begann in Berliner Clubs Fahrräder mit einem Akku aufzustellen und forderte die Besucher auf, den Strom für Musik und Licht selbst zu erstrampeln. Das mobile Event nannte sich „Fahrrad-Disko“.

Heute sagt er: „Idealerweise merkt der Besucher gar nicht, dass der Veranstalter energiebewusst handelt.“ Bilabel, Jahrgang 1970, ist ein umtriebiger Geist: Bevor er vor fünf Jahren die Agentur „Green Music Initiative“ gründete, hatte er Veranstaltungen organisiert und Anthropologie studiert. Seither tritt er an, mithilfe der Synergien der Energiewende und guten Ideen den Konzert- und Festivalbereich „grüner“ zu machen.

Viel Verbrauch = viel Einsparpotenzial

Aber was heißt das? „Deutschland ist Vorreiter im Energieeffizienzbereich. Es wurden schon viele Weichen gestellt, die man jetzt auch im Veranstaltungsbereich nutzen sollte“, erklärt er. Im Durchschnitt verbraucht ein Club pro Jahr 120.000 Kilowattstunden (kWh) Strom, was einem CO2-Äquivalent von knapp 67 Tonnen entspricht. Ähnlich energieintensiv sind Festivals: Ein Verbrauch zwischen 120.000 und 450.000 kWh schlägt bei der Kalkulation zu Buche. Bilabels Annahme ist also vielleicht berechtigt: Wo viel verbraucht wird, lässt sich auch viel einsparen.

Sein Geschäftsmodell, Festival- und Clubbetreiber beim Energiesparen zu helfen, scheint aufzugehen. Mittlerweile ist die Agentur auf zehn Mitarbeiter angewachsen und gut mit deutschen Institutionen vernetzt, etwa der Energieagentur Nordrhein-Westfalen. Sie bieten gemeinsam einen Fortbildungslehrgang für Energieberater an, die Veranstalter beim Stromsparen Tipps geben. Beim Pilotprojekt im Jahr 2011 wurden sechs Clubs in Nordrhein-Westfalen über zwölf Monate beraten. Nach der Ermittlung der Hot Spots beim Energieverbrauch wurden Maßnahmen geplant und durchgeführt. Auf den Prüfstand kommen insbesondere die Beleuchtungstechnik, die Heizungsanlage und die Getränkekühlungen. Was die Maßnahmen an Stromeinsparungen gebracht haben, wird durch den sogenannten Green Club Index ermittelt. Es ist der Quotient aus dem Energieverbrauch und der Anzahl der Besucher pro Jahr, der vorher und nachher errechnet wird. Diese Energieberatung ist erschwinglich, denn sie wird durch die KfW-Bank gefördert. Bis zu 80 Prozent der Kosten können erstattet werden, nur rund 400 Euro müssen selbst bezahlt werden, rechnet Bilabel vor.

Noch überwiegt die Skepsis in der Branche

Seit 2010 gibt es beim Melt!-Festival die M!ECO-InitiativeSeit 2010 gibt es beim Melt!-Festival die M!ECO-Initiative

Auf europäischer Ebene haben sich bereits interessierte Festivalbetreiber zusammengeschlossen, die sich zweimal im Jahr austauschen. Die Initiative nennt sich „GO Group“ und wurde ebenfalls von Bilabels Büro aus gegründet. Natürlich gibt es auch Kritiker und noch überwiegt die Skepsis in der Branche, doch das Interesse nimmt stetig zu. „Veranstalter, die auch zum 10. Mal denselben Act genau so buchen wollen, haben kein Interesse an unseren Aktivitäten. Aber wir wollen niemand überzeugen“, sagt Bilabel. Und die Veranstalter, die mitmachen, werden immer mehr. Etwa das Tollwood-Festival in München, das Hurricane in Scheeßel, das Juicy Beats in Dortmund oder das Leipziger Melt!-Festival. Seit 2010 gibt es dort eine Umweltinitiative, die sich M!ECO nennt.

Jedes Jahr wird ein Schwerpunkt ausgewählt, der sich bislang aus den größten Posten der CO2-Bilanz eines Festivals ableiteten ließ: Im ersten Jahr stand die An- und Abreise der Festivalbesucher im Vordergrund. Man schuf mit dem Hotelzug eine Alternative zur individuellen Anreise. Der extra für das Festival gecharterte Zug mit Liegewagen diente 600 Besuchern zur Anreise und zur Übernachtung. Im Folgejahr errichtete man in Ferropolis eigens eine Solaranlage auf einer Fläche von rund 2.900 Quadratmetern mit einer Jahresleistung von 17.000 kW. Und beim diesjährigen Festival drehte sich bei M!ECO um alles um das Thema Müll. Bislang fielen 210 Tonnen an. Die Verringerung der Abfallmenge sollte durch einen Verzicht von Begrüßungsgeschenken der Sponsoren und der Einführung eines Müllpfands auf dem Campingplatz erreicht werden. So bietet Bilabels Agentur an, mit dem Veranstalter individuelle Konzepte zu entwerfen.

Zudem haben sie in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Naturschutz einen Leitfaden entwickelt, der Festivalbetreiben helfen soll, Abläufe zu optimieren und Energie zu sparen. Und wem das nicht genug ist, der kann bei Bilabel auch Ökostrom bestellen: Das Produkt mit dem Namen „Green Music Energy“ wird über einen Händler an der Strombörse in Leipzig eingekauft.

Text: Michaela Maria Müller | Fotos: Markus Wilmsmann