Bereits 2016 konnten Besucher in die immersive, audiovisuelle Kunstinstallation DEEP WEB im Kraftwerk Berlin eintauchen. Jetzt haben Künstler und Designer Christopher Bauder und Sounddesigner Robert Henke ihr monumentales Laser-Inststrument erneut zum Leben erweckt. EventElevator hat die beiden zusammen mit Michael Sollinger von LaserAnimation SOLLINGER interviewt und mehr über die künstlerische Vision und verwendeten Techniken des kinetischen Kunstwerks erfahren.
Jeden Tag sind wir in unserem digital gesteuertem Leben von Netzwerken umgeben, die im Hintergrund senden, ticken und unsichtbar auf die Millisekunde genau Operationen lenken: ob Handynetz, Server-Connections oder gar Darknet. Christopher Bauder und Robert Henke machen die Magie einer Netzwerk-Struktur mit DEEP WEB als Kunstwerk für einige Minuten visuell erlebbar. Und dazu benutzen sie als zentrales Gestaltungselement eine heute fast schon retro-futuristisch anmutende aber nicht minder faszinierende Lichtquelle: den Laser.
Gebündelte Kreativität von Christopher Bauder und Robert Henke
Die Kreativimpulse von Christopher Bauder und Robert Henke kreuzen sich gerne: bereits bei den Installationen Atom und Grid haben die Künstler als Team agiert. Da ihre wohl eindrucksvollste Arbeit DEEP WEB im Jahr 2016 nur für wenige Tage zu sehen war, haben habe die beiden ihr Netz jetzt rebootet.
Im monumentalen Industriebau Kraftwerk, einem ehemaligen Heizkraftwerk in Berlin Mitte, formen die beiden der Hilfe von 175 motorisierten Kugeln und mit zwölf an den Pfeilern platzieren Hochleistungslasern von LaserAnimation Sollinger Laser-Skulpturen mit Ausmaßen von bis zu 30 Metern Länge.
Bei DEEP WEB kommen zwölf Hochleistungslasser-Projektoren der Serie PHAENON X 30000 von LaserAnimation Sollinger zum EinsatzDie absolute Dunkelheit, die rohen Industriebetonwände, durch die in der Vergangenheit der Strom von Ostberlin pulsierte, sind wie geschaffen für die artifiziellen Laser-Movements: die sich mal auffächern oder sakral durch die Halle schneiden. Die verwinkelte Halle bietet dabei faszinierende Perspektiven, um die Abläufe des Licht- und Soundkunstwerks jedes mal neu zu erfahren.
Eindrucksvoll ist die Präzision, mit der die von Winden gesteuerten Sphere-Balls exakt von den Laser-Projektoren beschossen werden. Ist man eigentlich gewöhnt, dass sich ein Laser-Output im Raum verliert oder an Wänden ausklingt, werden hier die Strahlen an den Knotenpunkten der Sphere-Balls gestoppt und es entsteht der Eindruck eines Netzwerks. Klanglich ist der Sound von Robert Henke mit einer objektbasierten Surround-Beschallung zum visuellen Ablauf der Installation synchronisiert.
Technische Hintergründe
Ein entscheidender Faktor hinter der kreativen Umsetzung ist die Technikaffinität und die Experimentierfreude von Bauder und Henke. Bauder ist Kopf und die treibende Kraft hinter den Produkten, die er mit seiner Firma KINETIC LIGHTS auch anderen Kreativen für Projekte zur Verfügung stellt. Henke ist Mitbegründer der weltweit erfolgreichen Software-Firma Ableton. Entscheidend für die Choreografie sind aber auch 175 hochsensiblen, in Echtzeit kontrollierbaren KINETIC LIGHTS Winden.
Als Performance-Steuerungssoftware wird Ableton Live mit Max for Live verwendet. Alles passiert in Echtzeit, ohne Pre-Rendering. Robert Henkes Kompositionen haben eine direkte Anbindung an die TouchDesigner Software, die die Steuerung der Lichtskulpturen mit ihren Lasern übernimmt.
Das ist auch ein Vorteil bei den Live-Performances, die es zusätzlich zum Installationsablauf gibt. Henke kann hier zu jeder Zeit Loops und Parts in Ableton Live kürzen, verändern, erweitern und die Lichtinstallation reagiert entsprechend.
In Bezug auf die Laser bekamen die beiden Unterstützung von Laser-Experten Michael Sollinger von LaserAnimation Sollinger, der die technische Umsetzung maßgeblich geprägt hat. Die Connection zum Laser-Veteran entstand schon vor Jahren, als Robert Henke Sollinger, bei Sollinger bezüglich Unterstützung seiner eigenen Laser-Kunstprojekte anfragte.
Bei DEEP WEB kommen die Hochleistungslasser-Projektoren der Serie PHAENON X 30000 zum Einsatz. Integriert ist bei diesem Model ein modulares Lasersystem mit Laserdioden-Modulen von LaserAnimation in rot und blau kombiniert mit einer grünen plus gelben beziehungsweisen orangen Genesis Taipan OPSL Laserquelle.

Interview mit Corey Schneider (WHITEvoid)
Corey Schneider ist ein australischer Multimedia-Künstler und Programmierer, der in Berlin lebt. Schneider arbeitet im Software-Team von WHITEvoid, wo er TouchDesigner täglich bei der Weiterentwicklung der Steuerungssoftware für kinetische Lichtinstallationen einsetzt. Corey Schneider gab EventElevator zusätzliche Details zu den Herausforderungen der DEEP WEB Installation.
Welche und wie viele Winden-Systeme von KINETIC LIGHTS verwendet ihr? Was sind eure Herausforderungen bei der Steuerung?
Corey Schneider: Bei DEEP WEB verwenden wir 175 unserer Winch LED Einheiten. Unsere Steuerungssoftware hat sich so weit entwickelt, dass wir gar nicht mehr mit so vielen Herausforderungen beim Antreiben einzelner Elemente, etwa den Sphere-Kugeln in DEEP WEB haben. Im Gegensatz dazu ist die Gestaltung von Bewegungsabläufen für Elemente, die an mehreren Winden hängen herausfordernder, wie beispielsweise bei den Spiegeln unserer SKALAR-Installation aus dem vergangenen Jahr. Hier wird es komplexer. Wir müssen darauf achten, dass wir keinen Zustand schaffen, bei dem die Elemente, die wir Luft bewegen, miteinander kollidieren oder gar mit einem der Besucher. Für die Sicherheit des Systems zu sorgen ist anspruchsvoll. Aber wir haben sowohl in der Hard- als auch in der Software Funktionen entwickelt, die automatisch auf entsprechende Ereignisse reagieren, die eine gefährliche Situation verursachen. Die Motoren der betroffenen Winden würden sofort stoppen.
Verwendet ihr spezielle Kugeln bei DEEP WEB?
Corey Schneider: Ja. Es es ist eine Spezialanfertigung. Es sind hohle Sphere-Kugeln aus Kunststoff, die wir mit Wasser füllen. So können wir für ein optimales Gewicht für besonders smoothe Bewegungsabläufe und die gleichmäßige Verteilung des Laserlichts sorgen.
Welche Software verwenden ihr? Musstet ihr zusätzliche Skripte schreiben oder Erweiterungen programmieren?
Corey Schneider: Unsere Steuerungssoftware wird im Haus mit der weit verbreiteten, visuellen Programmierumgebung TouchDesigner entwickelt. Wir haben uns eine eigene Benutzeroberfläche für die Gestaltung von Showinhalten designt, die in Echtzeit generiert wird und auf externe Input-Signale wie etwa MIDI-, DMX- und OSC-Protokolle reagieren kann, um eine möglichst direkte Integration mit anderen Systemen zu ermöglichen. Die Laserkalibrierung wird mit unserem proprietären Code durchgeführt und die Laserkommunikation erfolgt über das AVB-Protokoll über ein Laser Control Object, das von TouchDesigner bereitgestellt wird.
Welcher Showmoment war rückblickend besonders tricky und warum?
Corey Schneider: Es gibt einen Szenenablauf, in der jeder Laser ausschließlich gelb auf die in V-Form hängenden Kugeln schießt. Die Laser scannen synchron zum Takt von Robert Henkes Komposition über die Form. Dieser Moment ist insgesamt die am aufwendigsten zu programmierende Interaktion aufgrund der schnellen Transienten im Audio-Signal, die extrem präzise Automatisierung erfordern, um den Effekt gut rüber zu bringen.