Flexibles Kara-System für Wiens lebendigstes Konzerthaus
In kaum einer anderen Stadt finden sich derart viele renommierte und geschichtsträchtige kulturelle Spielstätten wie in Wien. Neben der Staatsoper und dem Musikverein gilt insbesondere das Wiener Konzerthaus als Klassik-Hochburg, die sich im Zuge ihrer Generalsanierung über die Jahrtausendwende umfassend für die Herausforderungen des Konzertwesens im 21. Jahrhunderts aufgestellt hat. Neben dem gesamten klassischen Bereich, von Symphoniekonzerten bis Kammermusik, beherbergt das vielseitige Programm des Hauses auch zahlreiche Jazz-, Pop- und World-Music-Konzerte mit erhöhtem Bedarf an elektronischer Verstärkung.
„Die Mission der Wiener Konzerthausgesellschaft besteht darin, möglichst viele Menschen nachhaltig mit exzellenter Musik in all ihren Facetten zu verbinden. Dabei spielt die Raumakustik natürlich eine ganz entscheidende Rolle für die emotionale Qualität der Wahrnehmung“, unterstreicht der Intendant des Wiener Konzerthauses, Matthias Naske, die Bedeutung des Klangs der einzelnen Säle.
2018 unternahm das Wiener Konzerthaus den jüngsten Schritt in die Zukunft und schrieb ein neues Beschallungssystem aus. Die Vorgaben: ein maximal transparenter Klang mit optimaler Abdeckung sowie höchste System-Flexibilität für den Einsatz in unterschiedlichen Sälen und Konfigurationen. Das anschließende Auswahlverfahren vor Ort suchte wohl seinesgleichen und präsentierte nach einem intensiven Hör-, Test- und Bewertungsprozedere einen eindeutigen Sieger: L-Acoustics.
„In meinen 25 Jahren im Touring-Bereich konnte ich umfassende Erfahrungen mit verschiedensten Beschallungssystemen sammeln“, erläutert Ingeborg Doblander, seit vier Jahren Leiterin der Veranstaltungstechnik im Wiener Konzerthaus. Da jedoch ein PA-System für ein Konzerthaus andere Anforderungen als ein Live- oder Club-System setzt, entschieden sich Doblander, der technische Leiter des Wiener Konzerthauses, Jörg Jansen, und ihr Team bewusst gegen ein herkömmliches Shootout mit nebeneinander hängenden Systemen. „Wir wollten eine Lösung, welche die Raumakustik entscheidend miteinbezieht.“
Geladene Ausschreibung
Insgesamt fünf Hersteller wurden als Folge einer geladenen Ausschreibung in das aufwendige Auswahlverfahren einbezogen. Im August 2017 erhielt jeder Hersteller einen Tag im Großen Saal des Wiener Konzerthauses (1.240 m² Beschallungsfläche, 1.850 Sitzplätze, aufgeteilt auf Parterre, Balkon und Galerie), um sein individuelles Beschallungskonzept zu realisieren. Bereits im April wurde dazu eine umfangreiche Rastermessung vorgenommen, deren Messdaten mitsamt CAD-Plänen den einzelnen Herstellern zur Verfügung gestellt wurden.
Wissenschaftliche Bewertung
Nach dem Aufbau und der Einrichtung wurde das jeweilige System von 28 Probanden in 13 vorab definierten Hörzonen bewertet. „Unser Testbogen bestand aus 18 Fragen, die an den MUSHRA-Test (Multi-Stimulus Test with Hidden Reference and Anchor) angelehnt und nach dem Schulnotensystem zu beurteilen waren“, erläutert Doblander. „Als Hörbeispiel hatten wir eine sechsminütige Loop-Sequenz aus für unser Haus repräsentativen Musikgenres geschnittenen. Nach jeder absolvierten Hörzone konnten die Probanden nach Belieben in die nächste wechseln oder eine kurze Pause einlegen. Letztendlich musste jeder Teilnehmer jedoch alle Hörzonen beurteilen.“ Im Anschluss an den vierstündigen Hörtest wurde jedes System zusätzlich vom Ton-Team des Wiener Konzerthauses gemessen. Als unabhängiger Berater zeichnete zudem Peter Willensdorfer von der Firma Tonarchitektur verantwortlich, der den kompletten Ausschreibungs- und Bewertungsprozess begleitete.
Überzeugendes Gesamtpaket
Das Siegersystem von L-Acoustics überzeugte alle Beteiligten nicht nur in klanglicher Hinsicht, sondern auch mit seinem Handling, den kurzen Auf- und Abbauzeiten sowie durch seine hohe Flexibilität – schließlich sollte das System nicht nur im Großen Saal, sondern auch in den anderen, kleineren Kammermusik-Sälen in gestackten Varianten zum Einsatz kommen. „L-Acoustics hat uns mit einem präzise ausgearbeiteten Beschallungskonzept überzeugt, das unter Berücksichtigung der Raumakustik den gesamten Zuschauerbereich im Großen Saal abdeckt“, so Doblander.
Insgesamt besteht das neue Beschallungssystem im Wiener Konzerthaus aus zwei 16er Kara-Hangs (L/R), 4x KIVA II im Center, 2x X15HiQ als Outfill für die Proszeniumsloge, 2x X8 als L/R-Outfill für die Orchestersitze und 7x 5XT als Frontfill. In den Bässen kommen je vier SB18 auf beiden Bühnenseiten nebeneinander in Cardioid-Anordnung zum Einsatz, ergänzt durch 2x KS28 im Center. Angetrieben wird das komplette System durch 8x LA12X und 4x LA4X. Für die flexible Nutzung in den einzelnen Sälen wurde ein Teil der Verstärker in mobilen Silent-Racks untergebracht.
Feste und mobile Verkabelung
„Das System ist nicht festinstalliert“, erläutert Ingeborg Doblander. „Lediglich ein kleiner Teil der Kabel im Großen Saal ist als fixer Leitungszug ausgelegt. Je nach Konzert bauen wir beinahe täglich auf, ab und um. Ein Teil der LA12X und LA4X sind fest in einem Rack in einem kleinen Raum oberhalb der Gitterlogen untergebracht. Der Leitungszug von dort bis zu den Anschlusspanelen Stage-right und Stage-left wurde von der Firma Signal Sound & Light Distribution GmbH durchgeführt. Weiterhin gibt es einen Kabelzug vom Verstärkerraum bis zur Gitterloge, aus der die Lautsprecherkabel auf die Traverse geführt werden. Auf der Bühne befinden sich zwei mobile Racks für die Front- und Outfills sowie die Subwoofer.“
Das erste Konzert mit der neuen L-Acoustics Beschallung fand am 24. Mai 2018 mit einem Konzert des achtköpfigen Crossover-Ensembles Red Baraat statt. Vorab erstellte L-Acoustics Application Engineer Martin Rode Session-Files als Ausgangsbasis für die drei unterschiedlichen Bühnengrößen. Zudem wurde das System durch Ingeborg Doblander und Peter Willendorfer im diffusen Schallfeld eingemessen. Wie in jedem Raum, gibt es auch im Wiener Konzerthaus Bereiche, die einer besonderen Aufmerksamkeit erfordern. „In der Vergangenheit hatten wir im Großen Saal immer wieder Probleme mit der Abdeckung der Proszeniumslogen (seitliche Logen unmittelbar links und rechts der Bühne) sowie der Kurven im Balkonbereich. Dies wurde mit dem L-Acoustics System raumakustisch sehr gut gelöst. Zudem fügt sich das gesamte System perfekt in das optische Erscheinungsbild des Saals ein.“