Deutsche Musikwirtschaft beziffert wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie

Der Bericht der Verbände der deutschen Musikwirtschaft zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie

Einleitung

Die so vielseitige und identitätsstiftende Musikkultur in Deutschland befindet sich angesichts der Corona-Pandemie in einer dramatischen Situation und steht vor einer ungewissen Zukunft. Der aktuelle Shut-Down des öffentlichen Lebens ist für die durch Einzel- und Kleinstunternehmen geprägte Branche – als Partner der im Mittelpunkt stehenden Künstler*innen – existenzbedrohend. Dadurch werden zentrale Geldflüsse an die Künstler*innen und Beteiligungen am wirtschaftlichen Erfolg austrocknen und in Folge werden sich die finanziellen Probleme verschärfen.

Am 23. März 2020 beschloss die Bundesregierung ein Soforthilfepaket, bestehend aus zusätzlichen Maßnahmen mit Soforthilfen von bis zu 50 Milliarden Euro für kleine Unternehmen, Solo-Selbständige und Angehörige der Freien Berufe.

Finanzminister Scholz sagte am 23. März 2020 dazu: „Wir gehen in die Vollen, um auch den Kleinstunternehmen und Solo-Selbständigen unter die Arme zu greifen. Sie brauchen unsere besondere Unterstützung, sie werden von dieser Krise hart getroffen. Deshalb gibt es vom Bund jetzt schnell und unbürokratisch Soforthilfe. Ganz wichtig ist mir: Wir geben einen Zuschuss, es geht nicht um einen Kredit. Es muss also nichts zurückgezahlt werden. Damit erreichen wir die, die unsere Unterstützung jetzt dringend brauchen.“

Wirtschaftsminister Altmaier unterstrich: „Wir lassen niemanden allein. Es darf und wird hier keine Solidaritäts-Lücke geben. Deshalb schnüren wir ein zusätzliches umfassendes Paket im Umfang von bis zu 50 Milliarden Euro für Solo-Selbständige und Kleinstunternehmen auch mit direkten Zuschüssen, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Daneben helfen wir mit dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds konkret der Realwirtschaft und verhindern den Ausverkauf deutscher Wirtschafts- und Industrieinteressen. Dabei darf es keine Tabus geben. Vorübergehende und zeitlich begrenzte Staatshilfen bis hin zu Beteiligungen und Übernahmen müssen möglich sein.“

Am gleichen Tag hatte auch die Kulturstaatsministerin Grütters betont: „Wir kennen die Nöte, wir wissen um die Verzweiflung. Gerade der Kulturbereich ist durch einen hohen Anteil Selbstständiger gekennzeichnet, die jetzt existenzielle Probleme haben. Deshalb freue ich mich, sagen zu können: Die Hilfe kommt – so schnell und so unbürokratisch wie möglich! (…) Die Bundesregierung insgesamt ist sich des einzigartigen Stellenwerts unserer Kultur-, Kreativ- und Medienlandschaft bewusst. (…) Unsere demokratische Gesellschaft braucht in dieser bis vor kurzem unvorstellbaren historischen Situation ihre einzigartige und vielfältige Kultur- und Medienlandschaft!“

Wir, die zentralen Verbände der Musikwirtschaft und die beiden großen Verwertungsgesellschaften, nehmen diese Soforthilfen und Maßnahmen erfreut zur Kenntnis und begrüßen die dahinter liegende Wertschätzung der Kultur- und Kreativwirtschaft im Allgemeinen und unserer Branche im Besonderen!

Für die zahlreichen Solo-selbständigen unserer Branche sind die angekündigten Hilfsmaßnahmen eine große Erleichterung. Für viele Unternehmen der Musikwirtschaft kommen sie allerdings nicht in Frage. Die Flexibilisierung des Kurzarbeitergeldes ebenso wie steuerliche Erleichterungen sind leider für die Musikschaffenden und die Musikwirtschaft allenfalls in Ausnahmefällen geeignet, die entstandenen Schäden zu kompensieren. Auch vergleichbare Soforthilfeprogramme – wie sie für Solo-Selbständige und Kleinstunternehmen geschaffen wurden – reichen nicht annähernd aus, um bei der überwiegenden Zahl der musikwirtschaftlichen Unternehmen die erheblichen Schäden, die bereits entstanden sind und noch entstehen werden, zu kompensieren.

Der durch gesundheitspolitische Entscheidungen entstandene Ausfall kann auch nicht sinnvoll alleine über flexiblere Kreditvergaben und vergleichbare Angebote abgefangen werden. Zum einen verfügen Klein- und Kleinstunternehmer*innen selten über notwendige Sicherheiten, zum anderen können diese Ausfälle in der Regel nicht einfach nachgeholt werden, um die Kredite zu bedienen.

Dringend benötigt werden daher schnelle staatliche Soforthilfen beispielsweise für Mietzahlungen und Lohnkosten. Diese sollten unbürokratisch und schnell zur Verfügung gestellt werden und nicht an einschränkende Bedingungen wie unmittelbare Betroffenheit von gesundheitspolitischen Maßnahmen abhängen.

Im Folgenden erläutern wir die Effekte der gesundheitspolitischen Maßnahmen auf die einzelnen Teilbereiche der Musikwirtschaft und skizzieren die aktuell zu erwartenden Umsatzeinbußen für einen Zeitraum von sechs Monaten.

Ferner sind alle Unterzeichner bereit, bei der unmittelbaren Umsetzung zu helfen. Denn eines ist klar: Wenn es keine entsprechende Hilfe für die Musikwirtschaft gibt, werden an Weihnachten 2020 weder neue Tonträger, Noten, Instrumente noch Konzertkarten unter dem Weihnachtsbaum liegen. Dann ist ein Wirtschaftszweig, der wie kein anderer für die kulturelle Vielfalt steht, verschwunden.

1. Zur Musikwirtschaft – Überblick

Der musikwirtschaftliche Gesamtmarkt mit seinen Teilsektoren wurde erstmals 2015 in der Studie „Musikwirtschaft in Deutschland“ dargestellt. Auftraggeber waren in Kooperation die wichtigsten Verbände der Musikwirtschaft, Förderer die Stadt Hamburg und des BMWi. Der Studie zufolge setzte die Branche im Jahr 2014 insgesamt 11 Mrd. Euro um, zählte 127.000 Selbständige und Arbeitnehmer*innen und erreichte eine Bruttowertschöpfung von rund 3,9 Milliarden Euro. Innerhalb der sieben Teilbranchen der Musikwirtschaft wiederum hatten die „Musikveranstaltungen“ (27 %) und „Musikaufnahmen“ (22 %) die höchste Bruttowertschöpfung, gefolgt von den Bereichen „Musikinstrumente“ (19 %), „Kreative“ (15 %), „Musikunterricht“ (10 %), „Musikverlage“ (5 %) und „Verwertungsgesellschaften“ (2 %). Für 2020 ist eine Neuauflage der Studie in Planung, die den Status der Branche 2019 abbildet.

Den Kern der Musikwirtschaft bilden die Musiker*innen aller Genres. Ihre Liveauftritte (Clubs, Konzerte, Festivals, Business-Events und Auftritte im Bereich Messen, Kongresse, Partys, Galas),werden derzeit alle abgesagt; damit bricht die wichtigste Einnahmequelle für die Künstler*innen weg.Aber auch Nebenjobs als Instrumentallehrende, Studiomusizierende, Produzierende, Vermietende u.v.m. fallen in diesen Tagen weitestgehend aus. Fakt ist, dass die Musiker*innen zum jetzigen Zeitpunkt kaum noch Einkommensquellen haben. Mit dem langfristigen Ausfall ist sowohl in den Metropolen als auch im ländlichen Raum, nicht nur die künstlerische Entwicklung und der musikalische Nachwuchs in Gefahr, sondern die gesamte Branche kann ohne Künstler*innen nicht existieren.

Allein für über 50.000 Musiker*innen belaufen sich bei einer Dauer der Maßnahmen von sechs Monaten – bei einem von der Künstlersozialkasse veröffentlichten durchschnittlichen Jahreseinkommen von lediglich 13.000 Euro – nach aktuellen Schätzungen die zu erwartenden direkten Umsatzeinbußen auf ca. 325 Mio. Euro.

Die existenzbedrohenden Einschnitte der gesundheitspolitischen Maßnahmen sind im Live-Bereich zuerst sichtbar geworden und treffen Künstler*innen wie Veranstalter*innen direkt. Die Schließung sämtlicher Spielstätten, Clubs und anderer Räume, in denen Musik gespielt wird, legen die Einkommensquellen aller Unternehmen der Musikwirtschaft ebenso lahm wie die Drosselung (bspw. Amazon) und teilweise Aussetzung (bspw. Plattenläden, Elektronikfachhandel) des Musikfachhandels.

Die kreativen Leistungen von Künstler*innen können so derzeit weder über den Live-Bereich, noch über den physischen Verkauf am Markt platziert werden.

Zur Musikwirtschaft zählen sehr unterschiedliche Branchen, die durch Verwertungsketten miteinander verbunden sind. Daher ist es wesentlich, alle Teilbereiche mit ihren durch die Krise bedingten spezifischen Problemen zu berücksichtigen, um Ketteneffekte zu verhindern – darunter: Künstler*innen, Komponist*innen, Textdichter*innen, Veranstalter*innen, Veranstaltungszentren, Label, Verlage, Künstlermanager*innen, Künstlervermittler*innen, Clubbetreiber*innen, Tonstudios, Presswerke, Vertriebe, Merchandise und Verwertungsgesellschaften sowie die Herstellung und der Handel mit Musikinstrumenten, -equipment und Noten.

2. Live-Sektor vertreten durch BDKV, LiveKomm und BV Pop

Durch die notwendigen, gesundheitspolitischen Maßnahmen für die Eindämmung der Corona- Pandemie entsteht zuerst im Live-Bereich erheblicher existenzbedrohender wirtschaftlicher Schaden, das betrifft sowohl Künstler*innen als auch Clubs und Solo-Selbstständige, Veranstalter*innen und Vermittler*innen der Veranstaltungswirtschaft. Vor allem die freiberuflichen Künstler*innen sowie ihre Künstlervermittler*innen ebenso wie die privatwirtschaftlich agierenden Musikspielstätten, die in der Regel größtenteils ohne öffentliche finanzielle Unterstützung auskommen, sind ohne die notwendigen Einnahmen und Erlöse kaum überlebensfähig und agieren in ihrer Kosten- und Erlösstruktur im Grenzkostenbereich.

Gemäß einer ersten empirischen Untersuchung des Bundesverbands der Konzert- Veranstaltungswirtschaft müssen bis Ende Mai 2020 rund 80.000 Veranstaltungen abgesagt werden. Eine Blitzumfrage der LiveKomm (Laufzeit 10. – 12. März 2020) macht deutlich, dass es bereits Anfang März, seit Erscheinen der ersten Nachrichten über Covid-19-Erkrankungen in Deutschland, zu einem deutlichen Einnahmeverlust durch einen Besucher*innenrückgang von circa 25 % aufgrund der Verunsicherung der Bevölkerung kam. Schon vor den offiziellen Veranstaltungsverboten mussten die Clubs daher 20 % der Konzerte auf einen späteren Zeitpunkt verlegen. Honorareinnahmen der Musiker*innen brachen damit genauso weg wie die Einnahmen ihrer Vermittler*innen sowie der Clubs, Festivals und Solo-Selbstständigen wie sonstigen kleinen Dienstleister*innen aus der Veranstaltungswirtschaft. Die damit existenzielle Notlage der Künstler*innen, Clubs und Solo- Selbstständigen wie Kleinbetrieben aus der Veranstaltungswirtschaft wird immer deutlicher.

a) Clubs und kleine Musikbühnen

Die fehlenden Einnahmen wirken sich vor allem auf die kleinen Musikbühnen und Clubs aus, deren Fortbestand von einem mehrwöchigen Veranstaltungsverbot akut gefährdet ist. Mit dem Fehlen dieser Bühnen, sei es in den Metropolen oder im ländlichen Raum, ist nicht nur der gesamte musikalische Nachwuchs und damit die kulturelle Vielfalt in Gefahr. Wenn keine Veranstaltungen stattfinden und in Folge derzeit geschlossener Spielstätten nicht einmal in der Zukunft gebucht werden können, haben auch die zahlreichen, zumeist „Ein-Mann*Frau“-Künstler*innen-Agenturen, ohne deren Arbeit keine Künstler*innen auf die Bühnen des In- und Auslands gelangen, keine Einnahmen mehr. Den ausübenden Künstler*innen wird damit auch noch lange nach dem hoffentlich baldigen Ende der aktuellen Krise die Auftragslage komplett fehlen. Angebotene Kredite können die betroffenen Kulturschaffenden aufgrund fehlender Einnahmen und Gewinne gar nicht zurückzahlen – und sind daher auf finanzielle Unterstützung ohne Rückzahlung und Sofortmaßnahmen angewiesen.

Eine Hochrechnung von LiveKomm, basierend auf der qualifizierten Gewichtung der Ergebnisse aus der Berliner und der Kölner Clubstudie, geht von 1.160 Clubs aus, in denen seit dem 15. März alle geplanten Konzerte abgesagt werden müssen. Die konservative Hochrechnung aus den o. a. Studien ermittelte durchschnittlich 15.321 Shows pro Monat. Das entspricht, auf sechs Monate betrachtet, einem Umsatzausfall von ungefähr 206 Mio. Euro. Die durch die Clubshows abgesagten Gagenanteile sind hierin mit etwa 25 % enthalten.

b) Konzert- und Tourneeveranstalter*innen sowie Künstlervermittler*innen

Mit jedem infolge der Veranstaltungsverbote abgesagten Konzerte erleiden Veranstalter*innen ebenso wie die beteiligten Künstlervermittler*innen nicht nur erhebliche Einnahmeausfälle, sondern bleiben mangels jeglicher Einnahmen auf erheblichen zumeist bereits bezahlten Kosten für Veranstaltungsvorbereitungen sitzen. Damit häufen sich Schuldenberge, die letztlich irgendwann bezahlt werden müssen. Zudem ist der Kartenverkauf für Konzerte in der Zukunft nahezu völlig zum Erliegen gekommen, da kein Musik- oder Theaterliebhaber derzeit beurteilen kann, wann die aktuelle Krise beendet sein wird. Und auch Veranstaltungsverlegungen sind derzeit häufig nicht möglich, da Veranstaltungshallen Buchungen ablehnen.

Aus bereits abgesagten Shows, sowie den hochgerechneten Mindereinnahmen wegen der nicht mehr getätigten laufenden Kartenverkäufe entstehen (nach einer Hochrechnung von CTS eventim) in den kommenden 6 Monaten Umsatzausfälle in Höhe von 3.652,5 Mio. Euro

Diese gliedern sich in:

c) Kleine und mittlere Festivals

Für kleine und mittlere Festivals, die normalerweise in der Sommersaison jeweils Tausende zumeist in Kommunen im ländlichen Raum zusammenbringen, ist die Lage existenzbedrohend. Diese im Bundesnetzwerk des „Festivalkombinat“ der LiveKomm organisierten Festivals (bis 10.000 Besucher*innen pro Tag) sind gemäß einer Blitzumfrage der MusicBase e.V. (Teil der LAG Soziokultur – ImPuls Brandenburg, vom 13.-17. März 2020) mit Ausfällen im dreistelligen Millionenbereich konfrontiert – ohne diese kompensieren zu können. Die Festivalplattform HÖME verzeichnet aktuell 685 solche Festivals (bis 10.000 Besucher*innen pro Tag) in ganz Deutschland, von denen schätzungsweise 80 %, also etwa 550 Festivals, akut betroffen sind. Viele der Träger*innen sind sogar Vereine, die auf solche Ausfallschäden gänzlich unvorbereitet sind.

Vom Verband hochgerechnet ergibt dies Ausfallkosten in Höhe von 232,6. Mio. Euro für 550 Festivals.

d) Große Festivals

Für Veranstalter*innen der großen Musikfestivals, die nicht selten 80.000 und mehr Besucher haben und die an vielen Orten oft einer der größten Umsatzträger und temporären, lokalen Arbeitgeber*innen sind, ist die Prognose ebenso dramatisch. Festivals wie Rock am Ring, Southside, Hurricane, Wacken sowie Klassik- oder Jazz-Festivals sind von massiven Ausfällen und Absage bedroht. Viele dieser Festivals – wie beispielsweise das Elbjazz-Festival – beginnen bereits Anfang Juni. Daher müssen ihre Veranstalter*innen häufig schon heute davon ausgehen, dass das Festival gar nicht mehr realisierbar ist, da wesentliche Vorbereitungsleistungen heute zum Erliegen gekommen sind und kaum noch rechtzeitig erbracht werden können.

Die Hochrechnung von CTS eventim beziffert die Umsatzverluste in den kommenden 6 Monaten mit 451,4 Mio. Euro.

3. Verlagswesen vertreten durch DMV und VUT

Musikverlage und die mit ihnen verbundene Urheber*innen sind massiv vom Stillstand des kulturellen öffentlichen Lebens betroffen. Die überwiegende Zahl der deutschen Musikverlage sind den kleinen und mittelständischen Unternehmen zuzurechnen, viele von ihnen haben bereits Maßnahmen wie Einführung des Kurzarbeitergeldes, eingeleitet. Maßnahmen, wie sie die mit ihnen verbundene Partner*innen, Urheber*innen nicht ergreifen können, da es sich hierbei um Solo-selbstständige handelt, die um ihre Existenz bangen.

Das Ziel muss es sein, möglichst vielen Akteuren dieses wichtigen Bereiches der Musikbranche zu helfen, die Corona-Krise zu überstehen. Musikverlage haben in Deutschland eine lange Tradition – nicht zuletzt existiert auch ihr Berufsverband seit 1829 und ist damit neben dem Börsenverein des deutschen Buchhandels der älteste Berufsverband in Deutschland. Ohne Musikverlage wären ein Großteil der Urheber*innen – alleine in der GEMA sind davon 65.000 – nicht in der Lage, ihrem kreativen Schaffen nachzugehen.

Der zu erwartende Schaden bei einem Andauern der Krise bis zur Jahresmitte kann durch die wegfallenden Einnahmen über die Verwertungsgesellschaft GEMA wie folgt beziffert werden:

Im Bereich Musikveranstaltungen gehen wir von einem Rückgang von 60 % aus, bei den Einnahmen aus Rundfunk-Sendungen (Hörfunk und TV) durch den Wegfall von wichtigen Ereignissen wie der Fußball-EM oder den olympischen Spielen einen Rückgang um 25%. Für die Vergütungen aus dem Tonträgerbereich rechnen wir aufgrund der angeordneten Geschäftsschließungen mit einem Verlust von 20% und bei den Einnahmen aus der Musikwiedergabe in Clubs, Restaurants, Kneipen, etc. sogar mit einer Halbierung. Hier ist anzumerken, dass der größte Teil der Verluste erst im Jahr 2021 bei Urheberinnen und Urhebern und Verlagen richtig durchschlägt, da die GEMA erst im nächsten Jahr die Einnahmen – die entsprechenden Schätzungen verringert sein werden – aus dem Jahr 2020 an die Berechtigten ausschütten wird.

Ernst ist auch der Einnahmenwegfall bei Verwertungsformen, die nicht von den Verwertungsgesell- schaften wahrgenommen werden. Hier sind die Folgen vor allem im sogenannten Papiergeschäft, also der Herstellung und Vertrieb von Noten, spürbar. In diesem Sektor ist die Abhängigkeit zu Bühnen, Orchestern, Musikschulen und Einzelhandel besonders groß – Bereiche die aufgrund der gesundheitspolitischen Maßnahmen stillgelegt sind. Diese Verlage (und deren Autor*innen), – darunter viele Musikverlage, die seit über 100, 200 Jahren existieren – haben seit Einstellung des Aufführungs-, Schul- und Handelsbetriebs keinerlei Einnahmen. Hier rechnen wir mit einem Rückgang der Einnahmen im Vergleich zum Vorjahr um 50%.

Die Auswirkungen der weltweiten Rezession sind ebenfalls im Bereich der Lizenzierung der sogenannten Sync-Rechte zu erwarten, dabei geht es um die Lizenzierung von Musikwerken für u.a. Kino- und TV-Produktionen. Da in der aktuellen Situation keinerlei neue Produktionen entstehen, wird in diesem Bereich ein Minus von derzeit 25 % angenommen.

Legt man die GEMA-Einnahmen und die Einnahmen aus Nebenrechten aus dem Jahr 2018 zugrunde, ergeben sich folgende Zahlen:

* lt. GEMA Geschäftsbericht 2018, **Schätzung

4. Label (Tonträgerhersteller) vertreten durch BVMI und VUT

Selbst wenn die unmittelbaren Auswirkungen im Bereich der Konzert- und Festivalveranstalter*innen aktuell prägnanter sind und die unmittelbare Betroffenheit sichtbarer ist, darf nicht vergessen werden, welche tiefgreifenden und in weiten Teilen nicht vorherzusagenden Effekte die aufgrund der Pandemie erforderlichen gesundheitspolitischen Maßnahmen auf den Bereich der Tonträgerhersteller*innen haben wird. Zwar nimmt der Anteil der online gehörten und bezahlten Musik auch in Deutschland über die letzten Jahre deutlich zu. Der physische Markt machte jedoch im vergangenen Jahr immer noch rund 36% aus (vgl. Meldung des Bundesverbandes Musikindustrie vom 27. Februar 2019). Diese Einnahmen aus dem Verkauf von CDs, Vinyl und DVDs – sie betrugen im Jahr 2019 knapp 577 Mio. Euro – werden durch die Schließung der Einzelhändler*innen, die Beeinträchtigung der Lieferketten, die Schließung von Lägern sowie die Priorisierung anderer Produkte im Bereich des Online-Handels massiv beeinträchtigt.

Die Branchenmarktforsch*innen gehen in aktuellen Schätzungen davon aus, dass im Falle eines Anhaltens der Corona-Krise über sechs Monate für das Jahr 2020 mit einem Rückgang im Vergleich zum erwarteten Umsatz bei den physischen Ton- und Bildtonträgern von etwa 100-150 Millionen Euro zu rechnen ist, je nachdem wie stark die negativen Einflussfaktoren wie beispielsweise Schließungen im stationären Handel und Lieferschwierigkeiten an den E-Commerce-Handel ausfallen.

Daneben ist die Branche in aktuell noch nicht abschätzbarem Maße durch fehlende Erlöse im Bereich der öffentlichen Wiedergabe (Diskotheken, Clubs, Tanzschulen u. ä.) betroffen, die über die GEMA inkassiert werden und von der GVL an Künstler*innen und Labels verteilt werden. Ein weiterer Einschnitt im Einkommen der Firmen ist durch den fehlenden Verkauf von Fanartikeln, dem sog. Merchandising, zu erwarten. Produkte, die zum Teil schon für konkrete Tourneen vorproduziert wurden und im Umfelde der Veranstaltungen an Fans verkauft werden sollten, können nicht abgesetzt werden.

Ebenso trifft die Situation Tonstudios. Geplante Produktionen können hier aufgrund gesundheitspolitischer Anordnungen nicht aufgenommen werden und werden auf dem Musikmarkt künftig gar nicht oder nur mit erheblicher Verzögerung zur Verfügung stehen.

Ausproduzierte und vorfinanzierte Produktionen können nicht oder nicht im avisierten Rahmen veröffentlicht werden. Zum Teil sind entsprechende Promotion-Maßnahmen angelaufen, durchgeführt und bereits bezahlt.

Presswerke haben drastische Auftragsausfälle, da sowohl die Produktplanung als auch die Nachfrage im Einzelhandel massiv beeinträchtigt ist.

Demnach sind auch Firmen, die sich auf den Vertrieb physischer Tonträger spezialisiert haben, im besonderen Maße betroffen. Sie sind derzeit de facto nicht in der Lage, ihre Produkte über den stationären Handel abzusetzen. Im Online-Handel kommt es teilweise zu Einschränkungen, da andere Güter im Warenverkehr bevorzugt werden müssen.

Die GVL, die als Verwertungsgesellschaft der Künstler, Tonträgerhersteller und in Teilen der Veranstalter Lizenzeinnahmen aus dem Bereich des Rundfunks, der öffentlichen Wiedergabe und der Privatkopie vereinnahmt und verteilt geht aktuell im Hinblick auf die bisherigen Planannahmen für das laufende Geschäftsjahr von insgesamt 203,7 Mio. Euro von folgendem Szenario aus:

Sie erwartet Einnahmerückgänge von mindestens 50% oder rund 100 Mio. Euro, von denen rund 45 Mio. Euro den Tonträgerherstellern und 55 Mio. Euro den Künstler*innen zukommen würden.

5. Musikinstrumente, vertreten durch SOMM

Mit einem Gesamtumsatz von rund 1 Mrd. Euro und ca. 12.000 Kernerwerbstätigen ist die Musikinstrumenten-Branche (MI) eine der tragenden Säulen der Musikwirtschaft und wichtiger Teil der Kultur- und Kreativwirtschaft insgesamt. Sie besteht im Wesentlichen aus drei Bereichen: Herstellung von Musikinstrumenten und Musikequipment, Vertrieb von Musikinstrumenten und Musikequipment und Handel mit Musikinstrumenten und Musikequipment. Alle Bereiche interagieren intensiv miteinander.

Der Sektor ist in einem anderen Maße betroffen als es die Teilbereiche Musikaufnahmen, Musikveranstaltungen oder Musikverlage sind. Der Schwerpunkt ist ganz offensichtlich dem Handel zuzuordnen. Der Verkauf erfolgt überwiegend über spezialisierte Facheinzelhändler (stationär und online), die in der Regel auch Musikalien (Noten), Musikbücher, Songbooks und DVDs in Ihrem Sortiment haben.

Im Kern erwirtschaftet die MI-Branche den Umsatz aus dem Verkauf von Musikinstrumenten und Musikequipment sowie ProAudio (90 %). Laut einer aktuellen IFH-Studie Branchenfokus Musikinstrumente ist der stationäre Handel (67 %) mit Abstand der wichtigste Vertriebsweg im Markt für Musikinstrumente (Musikfachhandel 62 %; Sonstiger Fachhandel 5 %,). Davon ausgehend, dass der stationäre Fachhandel mit Anordnung der Schließung von Ladengeschäften faktisch von heute auf morgen keine Erlöse mehr erzielt, bedeutet dies einen entgangenen Umsatz von monatlich 50,3 Mio. Euro seit Schließung der Ladengeschäfte. Ausgehend von 6 Monaten ergibt sich ein Gesamtverlust von ca. 300 Mio. Euro.

Es gibt in der MI-Branche mehr als 1.200 überwiegend kleine und mittlere Betriebe (Musikinstrumentenhersteller und Vertriebe). Mehr als die Hälfte erwirtschaftet einen Jahresumsatz von 100.000 Euro, nur ein Bruchteil der Unternehmen erzielen Umsätze von zehn Millionen Euro und mehr. Der Absatz an die Käufer von Musikinstrumenten und Zubehör erfolgt weitgehend über den Musikfachhandel mit Musikinstrumenten und Musikalien. In diesem Teilsektor der MI-Branche kommen nur 8 von 1.900 Fachhandelsunternehmen auf Umsätze von zehn Millionen Euro und mehr.

Den größten Kostenblock innerhalb der MI-Branche machen mit 40 % die Personalkosten für feste Mitarbeiter aus, da der Bereich der Musikinstrumente und des Musikequipment immer noch besonders beratungsintensiv ist. Entsprechend ist der Anteil an Löhnen und Gehältern in der MI- Branche hoch, wenn auch auf niedrigem Niveau.

In der MI-Branche sind wegen der vielen kleinen, stark spezialisierten Hersteller und vieler kleinen Fachhändler über 2.250 Selbstständige tätig, die nicht zu den oben aufgeführten 12.000 festen Mitarbeitern gezählt wurden. Der Anteil an allen Arbeitnehmern in der Musikwirtschaft beträgt 20 %.

6. Fazit

Da die Musikwirtschaft als Branche kleinteilig und durch Verwertungsketten sehr eng verwoben ist, verlagern sich wirtschaftliche Probleme eines Sektors schnell und in zeitlichen Wellen auf die übrigen Partner*innen. Gemeinsam ist allen Akteur*innen dieser heterogenen Branche, dass sie in gegenseitiger Abhängigkeit von der Solvenz der jeweiligen Partner*innen in der Verwertung und der Werknutzung sind. Es ist also notwendig, flächendeckend zu agieren, um die negativen Effekte auf die Wertschöpfungsketten abzumildern.

Wie eingangs erwähnt, werden jetzt schnelle staatliche, nicht rückzahlbare Soforthilfen zur Kompensation für entstandene Schäden benötigt. Diese sollten unbürokratisch und schnell zur Verfügung gestellt werden und nicht an einschränkende Bedingungen wie unmittelbare Betroffenheit von gesundheitspolitischen Maßnahmen abhängen.

Aus Sicht der Branche ist es geboten, die nachgelagerten Effekte mitzudenken und diesen auch längerfristig entgegenwirken zu wollen.

Die gerundete Gesamtsumme der bei einer 6-monatigen Dauer der Maßnahmen erwarteten Umsatzeinbußen beläuft sich nach unseren aktuellen Schätzungen auf:

Das vorliegende Papier ist eine Schadensmeldung verschiedener Sektoren der Musikwirtschaft. Sie beruht auf Schätzungen entstandener und entstehender Schäden bei einer angenommenen Dauer der notwendigen gesundheitspolitischen Maßnahmen von insgesamt sechs Monaten. Diese Berechnungen enthalten zum Teil Vergütungen für Künstler*innen (beispielsweise Gagen oder Lizenzeinnahmen) sowie Kosten, die teilweise ausfallbedingt nicht oder nicht in voller Höhe anfallen.

Die beteiligten Verbände der Musikwirtschaft und die Verwertungsgesellschaften:

  • BDKV – Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft e.V.
  • BVMI – Bundesverband der Musikindustrie e.V.
  • BV POP – Bundesverband Popularmusik e.V.
  • DMV – Deutscher Musikverleger-Verband e.V.
  • EVVC – Europäischer Verband der Veranstaltungs-Centren e.V.
  • GVL – Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten
  • GEMA – Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte
  • LIVEKOMM – Verband der Musikspielstätten in Deutschland e.V.
  • SOMM – Society Of Music Merchants e. V.
  • VUT – Verband unabhängiger Musikunternehmer*innen e.V.