Zum Kinostart von „Roadcrew“: Interview mit Regisseur Olaf Held

Rock'n'Roll Schreibtisch Rock’n’Roll Schreibtisch

Axel, Tino und Jan leben seit 15 Jahren ihren Traum von Sex, Drugs & Rock´n´Roll. Unterwegs als Bühnenarbeiter für unzählige Bands und Festivals. Nun mit Ende 30, der Körper baut ab, wird das Spannungsfeld zwischen Punk Attitüde und dem Wunsch nach Familie immer größer. Ein Dokumentarfilm, welcher der Frage nachgeht, wie es ist, in einer Branche zu altern, von der es einmal hieß: live fast, love hard & die young! EventElevator hat sich mit Regisseur Olaf Held unterhalten.

Olaf HeldEventElevator: Du kennst die Protagonisten des Films ja schon seit vielen Jahren. Wie würdest Du den Zustand beschreiben, mit einem Roadie befreundet zu sein?
Olaf Held: Da viele meiner Chemnitzer Freunde in den 90er Jahren die Stadt verlassen haben und irgendwo in Deutschland oder Europa wohnen und arbeiten, gibt es keinen großen Unterschied zu denen, die als „Roadie“ arbeiten. Man sieht sich zwar nicht sehr häufig im Jahr, dafür ist der Kontakt trotzdem sehr fest. Soziale Netzwerke helfen einem inzwischen dabei. 

EventElevator: Denkst Du, Deine Darsteller würden sich noch einmal für denselben Lebensweg entscheiden?
Olaf Held: Das lässt sich schwer beantworten, da ich glaube, dass unsere Vergangenheit in der DDR und die Wende einen wichtigen Teil dieses Lebensweges bestimmten. Hätte es die Wende nicht gegeben, dann wäre dieser Weg gar nicht möglich gewesen. Es gibt ja auch einen Unterschied zwischen den Protagonisten. Einer hat sich ja inzwischen dagegen entschieden und arbeitet lieber lokal. Aber ich glaube, Tino und Axel hätten auf jeden Fall einen Job gesucht, in dem sie ähnlich mobil sind. Tino wollte ja mal zur See fahren.

Roadcrew im Kino & auf DVDDer Film läuft von 23. bis 29. August 2012 in den Berliner Kinos Moviemento und Lichtblick. Die DVD erscheint am 21. September 2012 und kann unter anderem hier bestellt werden EventElevator: Von den Künstlern, für die die Darsteller arbeiten, kommen nur sehr wenige zu Wort. Ist das Absicht?
Olaf Held: Ja schon. Von denen hört und sieht man ja schon in anderen Filmen genug. Dass Andi von den Toten Hosen dabei ist, lag daran, dass er sehr gut etwas zur Entstehung des dreckigen Dutzends sagen konnte.

EventElevator: Auch von den Angehörigen der drei sind keine Statements enthalten, warum?
Olaf Held:Das war wiederum eher eine Entscheidung der Angehörigen. Sie wollten nicht. Letztendlich ist es aber konsequent, den Blick auf den Protagonisten zu lassen. Dafür gibt es noch ein paar Klischees von interviewten Konzertgästen.

EventElevator: Ein hypothetischer Blick in die Zukunft: In welcher Situation würdest Du Deine Protagonisten in zehn Jahren beim Dreh zum zweiten Teil von Roadcrew antreffen?
Olaf Held:Also Jan wird in einem Kindergarten als Erzieher arbeiten, zu dem er sich gerade ausbilden lässt. Axel wird mit seiner neuen Freundin in Berlin wohnen und eventuell seine Firma für Pflanzensitter erfolgreich führen und Tino, der ist weiterhin für KKT als Produktionsleiter unterwegs. Nur mit welchen Bands, das wäre die Frage? Die Ärzte und die Hosen sind dann ca. 60 Jahre alt.

EventElevator: War es für Dich persönlich jemals eine Option, Roadie zu sein?
Olaf Held: Ich habe selbst über viele Jahre bei örtlichen Konzertveranstaltern gearbeitet und war als Orchesterwart mit der Chemnitzer Philharmonie auf Tour. Anderseits war ich aber auch über 10 Jahre Filmvorführer. Mit „Roadcrew“ konnte ich beides irgendwie verbinden.

Die Protagonisten von „Roadcrew“:

Roadcrew AxelAxel (40) begann 1989 eine Lehre als Steinmetz, brach sie jedoch kurz nach der Wende ab. Nach einigen kleinen Jobs als ABM-Kraft stieg er 1994 für ein Jahr aus und verschwand auf die Kanaren, von denen er heroinabhängig zurückkehrte. Nach einem eigenen Entzug arbeitete er ab ca. 1996 als Bühnenarbeiter (Stagehand) für eine Chemnitzer Konzertagentur. Im Laufe der Jahre eignete er sich das notwendige Wissen an, um inzwischen als Bühnenmeister komplette Tourneen technisch zu betreuen. Seine Touren, unter anderem mit James Last, den Rolling Stones und den Red Hot Chili Peppers, führten ihn durch Europa bis nach Asien. Seit Ende 2008 ist er in Berlin − vorerst − sesshaft geworden. Vor einem Jahr trennte sich seine langjährige Freundin von ihm. Ein Grund mehr für Axel, den beruflichen Weg zu überdenken.

Roadcrew TinoTino (41) hat nach seinem Abitur in der DDR kein Studium begonnen und arbeitete nach der Wende als Hilfsarbeiter auf diversen Baustellen in Chemnitz. Nach einiger Zeit der Arbeitslosigkeit zog er Mitte der 90er Jahre nach Berlin und begann mit einigen Jobs als Bühnenarbeiter. Ca. 1998 wurde er in das feste Bühnenteam der Toten Hosen, das sog. „dreckige Dutzend“, aufgenommen und arbeitete für viele Jahre auf deren Sommer- und Wintertourneen. Inzwischen arbeitet er als Tourproduzent für die Konzertfirma KKT und betreut Bands wie die Ärzte, die Beatsteaks oder die Einstürzenden Neubauten. Ein weitestgehend angenehmer Job, den sich viele in diesem Geschäft wünschen. Kurz vor Beginn der Dreharbeiten trennte sich Tinos Lebensgefährtin und Mutter seiner kleinen Tochter von ihm. Ein Grund war auch sein Beruf.

Roadcrew JanJan (39) ist gelernter Koch und arbeitete ursprünglich in einigen einschlägig bekannten Szene-Kneipen von Chemnitz. Seit Längerem ist er Caterer für viele Tourneen und Festivals, wie zum Beispiel dem Hurricane Festival, dem Splash! oder dem With Full Force Festival. Nicht selten ist Jan mit einem sehr kleinen Team für die Verpflegung von bis zu 120 Mitarbeitern verantwortlich und arbeitet oft noch, wenn der Rest der Crew bereits schläft. Im Januar 2008 erlitt Jan einen stressbedingten epileptischen Anfall und wurde für zwei Wochen stationär beobachtet. Inzwischen arbeitet er wieder auf kleineren Deutschlandtourneen. Jan wurde im Dezember 2008 Vater und ist seit Januar im Erziehungsurlaub. Seine jetzige Leidenschaft gilt also in erster Linie der Tochter Frida, Fläschchen wärmen ist Hauptteil seiner aktuellen Kochkunst. Eine große Umstellung zum ehemaligen Berufsleben, welche er aber offensichtlich sehr genießt.

Roadcrew: Der Trailer zum Film

www.facebook.com/Roadcrew.Film

Interview: Markus Wilmsmann