Die eklatante Steigerung der Preise für Neodym macht sich auch in der Pro-Audio-Branche bemerkbar. Wie reagieren Lautsprecher-Hersteller und Vertriebe auf die Preisentwicklung des für sie bislang unverzichtbaren Rohstoffs? Und welche Gründe führten zu dieser Entwicklung?
China ist dick im Geschäft: Das Riesenreich kontrolliert mehr als 90 Prozent aller Vorkommen der sogenannten „Seltenen Erden“, die unverzichtbarer Bestandteil zahlloser High-Tech-Produkte sind: Flachbildschirme, Mobiltelefone, Elektroautos oder Windturbinen sind ohne sie undenkbar. Doch China will nicht mehr länger nur Rohstofflieferant sein, sondern sich dauerhaft als High-Tech-Produktionsstandort etablieren. Durch Exportbeschränkungen und Ausfuhrzölle bis zu 25 Prozent seitens China ist der Preis für die seltenen Erden in der jüngsten Vergangenheit sprunghaft angestiegen.
Die Export-Grenze wurde zwar mittlerweile wieder angehoben und die Preise sind im Augenblick sogar leicht rückläufig, an der grundlegenden Situation hat sich allerdings nichts geändert. Die jüngste Entwicklung ist die Ausweitung einer regionalen Steuer auf Seltene Erden. Sie soll von 1. November 2011 an auf das gesamte Land ausgeweitet werden. Begründet wird dieser Schritt mit der Schonung von Ressourcen und Umwelt, bei großen Förderunternehmen wie Batou Steel Rare Earths rechnen Beobachter allerdings mit einem steigenden Steueraufkommen in Milliardenhöhe.
„Der Nahe Osten hat Öl – Wir haben Seltene Erden“
Zu diesen raren Rohstoffen zählt auch Neodym, chemisches Zeichen Nd und wohl allen Kreuzworträtselfreunden ein Begriff. Neodym ist ein Grundstoff für Neodym-Eisen-Bor. Aus diesem Werkstoff wiederum werden die derzeit stärksten Dauermagneten hergestellt. Dank dieser Eigenschaft ist Neodym ein wichtiger Baustein des technologischen Fortschritts mit immensem geopolitischen Potential. Der Vater der chinesischen Reformpolitik, Deng Xiaoping, prägte bereits vor 20 Jahren den visionären Satz: „Der Nahe Osten hat Öl – Wir haben Seltene Erden“.
Unter Lautsprecherherstellern war Neodym lange Zeit ein Zauberwort: Mit seiner Hilfe ließen sich leistungsfähige und denoch leichtgewichte Lautsprecher herstellen. Doch die aktuelle Preisentwicklung bringt die Hersteller nun in Bedrängnis. Wie reagieren die Hersteller von Lautsprecher auf diese Entwicklung?
Alte Produkte ausstellen?
Preisentwicklung von Neodym, Angaben in Renminbi pro Tonne (1 RMB = ca. 0,12 Euro)Arne Deterts von dBTechnologies/RCF erinnert sich noch gut an die diesjährige Proligh + Sound 2011, als beim Aufbau des Messestandes extrem große und schwere Hochtöner in das Display gelegt wurden: „Auf meine Nachfrage, warum wir denn hier so alte Produkte ausstellen würden, erhielt ich die erboste Antwort, dass dies ganz neu entwickelte Hochtöner seien und das man diese in Kürze brauchen werde für Lautsprechersysteme im unteren Preisbereich. Tja, die Kollegen haben recht behalten. Ich war Mitte September im Werk in Italien und die Entwicklungsabteilung konzentriert sich derzeit darauf, alles was irgendwie geht, von Neodym auf Ceramic, also herkömmliche Magneten umzustellen. Des weiteren hat man natürlich als führender Anbieter von Lautsprechern damit begonnen, sich Gedanken über alternative Technologien zu machen, das wird aber sicher ein sehr langer Prozess mit derzeit sehr ungewissem Ziel.“
Auch bei FaitalPRO arbeitet man daran, neben den Neodym-Lautsprechern eine umfangreiche Produktpalette mit Ferritmagneten vorzustellen, um eine preisliche Alternative bieten zu können. Allerdings werden Neodym-Chassis nach wie vor das Hauptgeschäft des Unternehmens bleiben, berichtet Jürgen Frantzen, der für das Unternehmen große Teile Europas als Area Manager betreut.
Wolfgang Garçon vom Düsseldorfer Vertrieb atlantic audio sieht die Sache pragmatisch: „Letztendlich werden wir uns, wie auch in anderen Bereichen, daran gewöhnen müssen, dass nicht mehr jede Technologie für jede Anwendung ohne Limits zur Verfügung steht. Alternativen gab es ja schon früher. Ich kann mir vorstellen, dass uns auf der Prolight + Sound 2012 schon konkrete Lösungen zu dieser Frage vorgestellt werden.“
Keine Alternative im Hochleistungsbereich
Carsten Peter, der beim Heilbronner Vertrieb audiopro für JBL zuständig ist, berichtet von einer ähnlichen Strategie des zum Harman-Konzern gehörenden Unternehmens mit Sitz in Kalifornien: „Auf Neodym kann derzeit kaum verzichtet werden. Speziell im Hochleistungsbereich gibt es keine Alternative um den hohen Leistungs- und Klangansprüchen unserer Kunden gerecht zu werden. Es wird jedoch bei JBL intensiv an verschiedensten Lautsprechertechnologien geforscht und entwickelt. Darunter befinden sich auch vielversprechende Projekte mit anderen Antriebsvarianten, die bald marktreif sind.“
Bei Faital und JBL mag diese nur teilweise Abkehr vom Neodym mit den größeren Mengen an Neodym zusammenhängen, die insgesamt von Harman bzw. Faital als Produzenzt von Consumer-Produkten bzw. als Automotiv-Zulieferer eingekauft werden. Dazu Jürgen Franzen: „Faital verfügt dank des Automotiv-Geschäfts über sehr gute Bezugsquellen und kauft jährlich etwa 120 Tonnen Neodym ein, wovon FaitalPRO als Pro-Audio-Sparte profitiert. Bislang gibt es bei uns keine Beschaffungsprobleme.“
Meyer Sound setzt auf Recyling: „Die gleichbleibend hohe Qualität und Serientreue unserer Produkte ist der Kern von Meyer Sounds Philosophie und der Grund warum sich Kunden für unsere Produkte entscheiden. Wir beobachten die Markentwicklung aller Rohstoffe, die wir verwenden, dazu gehört auch Neodym und wir haben unsere Einkaufsstrategien schon immer langfristig betrachtet, um gleichbleibend hohe Produktqualität und damit den Erfolg von Meyer Sound zu gewährleisten. Unsere Entwicklungsabteilung wiederum betreibt einen hohen Aufwand, unsere Hochtontreiber so zu designen, dass das dort verwendete Neodym am Ende der Lebensdauer des Treibers einfach wiederverwertet werden kann.“
Wohin mit den Preissteigerungen?
Diese beiden Neodym-Magneten lassen sich mit bloßen Händen kaum trennenPreiserhöhungen werden sich mit aller Wahrscheinlichkeit nicht verhindern lassen, die Branche sieht ihnen allerdings relativ gelassen entgegen, weil alle Hersteller gleichermaßen davon betroffen sind. Auf die Kommunikation kommt es an, lautet die Meinung von Wolfgang Garçon: „Als Vertrieb sind uns bei dieser Preiserhöhung die Hände gebunden. Dazu wird es ist produkt- und preispolitische Handlungsweisen des Herstellers geben. Die Beschaffung und eventuell damit verbundene längere Lieferzeiten könnten für uns eher ein Thema werden. Dagegen helfen nur ein enger Austausch mit den Herstellern und entsprechend klare Informationen an den Kunden.“
Arne Deterts will seine Kunden soweit als möglich vor Preissteigerungen bewahren, wird allerdings nicht immer ganz ohne auskommen: „Es gibt natürlich Produkte, dort ist ein Wechsel nicht möglich, wie beispielsweise Line-Arrays. Zum einen steht meistens der Platz für den größeren Magneten nicht zur Verfügung, zum anderen ist die komplette Flughardware ja auf das derzeitige Gewicht ausgelegt. Hier wird man um Preiserhöhungen nicht herumkommen, aber hier ist das Gewicht auch wirklich ein elementares Thema.“
Auch Hans-Hartwig Cadenbach von cadenbach acoustic sieht sich zu Preissteigerungen gezwungen: „Die steigenden Preise machen uns sehr zu schaffen. Wir sind aber, da wir sehr auf den Gewichts- und Klang-Vorteil von Neodym setzten, gezwungen diese Preissteigerungen an unsere Kunden weiterzugeben. Wir gehen davon aus, dass die Mehrzahl die genannten Primär-Vorteile nicht missen wollen und den Mehrpreis in Kauf nehmen wird.“
Neuer Nachbar Neodym?
Abschließend stellt sich noch die Frage, wie die Unternehmen die zukünftige Entwicklung einschätzen. Deterts ist skeptisch: „Weltweit setzt man sich derzeit damit auseinander, stillgelegte Minen wieder in Betrieb zu nehmen. Abgesehen von den langen Zeiträumen die dafür benötigt werden, gehen wir derzeit davon aus, dass dies die Preisentwicklung nur stoppen kann, man aber nie wieder auch nur annähernd auf das alte Niveau zurückkommt.“
Carsten Peter ist etwas optimistischer: „Durch den extrem hohen Neodympreis lohnt es sich jetzt wieder, andere Abbaugebiete zu erschließen bzw. wieder zu eröffnen. Circa zwei Drittel der weltweiten Neodymvorkommen liegen außerhalb Chinas. So werdenbeispielsweise derzeit wieder Abbaugebiete in USA, Russland, Grönland oder Australien reaktiviert. Eine weitere wiedereröffnete Mine liegt übrigens in Kalifornien, nicht weit weg von JBL. Somit gehen wir davon aus, dass sich die Lage entspannt und der Preis für Neodym sich in einiger Zeit auf einem niedrigeren Niveau stabilisiert.
Auch bei cadenbach geht man davon aus, dass die Preise wieder sinken werden: „Wir gehen davon aus, das die jüngst, gerade wegen der steigenden Preise, in Australien und Russland gefundenen vorkommen von Neodym die Lage entspannen werden und deren Förderung wahrscheinlich nach besseren Umweltgesichtspunkten als bisher geschehen wird.“
Einen ganz anderen Aspekt bringt Wolfgang Garçon zur Sprache: „Die Zukunft liegt nicht immer in leistungsfähigeren Komponenten, sondern auch in der Optimierung verfügbarer Bauteile, wie man das am Beispiel von DSP-Amping für jeden einzelnen Treiber sehen kann. Viele Hersteller haben Performance-Steigerungen ihrer Lautsprechersysteme in den letzten Jahren durch neue, leistungsfähigere Lautsprecherchassis erreicht. Martin Audio geht mit der innovativen MLA-Technologie und der Entwicklung einer spezifischen intelligenten Software einen neuen Weg. Die MLA Technologie vereinigt klassische Standardbauteile, wie Speaker, DSP und Endstufen, und erreicht eine größere Leistungsperformance durch eine effizientere Abstimmung dieser Komponenten.“
Die Umwelt dürfte sich freuen, wenn in Zukunft auf Neodym verzichtet würde: Bei der Förderung des Gesteins entstehen giftige Abfallstoffe, außerdem werden Uran und Thorium freigesetzt, wie das ARD-Magazin Panorama im April berichtete. Die chinesische Regierung hat inzwischen schärfere Umweltauflagen angekündigt.
Fakten zu Neodym:- Neodym-Magnete können dauerhaft das 1.300-fache ihres Gewichts tragen.
- Für eine Windturbine werden etwa zwei Tonnen Neodym benötigt.
- Anteil von Neodym an der Erdkruste: 0,002 Prozent
Autor: Markus Wilmsmann