Legal – Illegal – Scheißegal: Bei LEDs der Fall?

Foto: Clipdealer LED-Wände erzeugen im Betrieb Magnetfelder, deren wechselseitige elektromagnetische Beeinflussung zu Störungen führen kann.

Am Monitorpult wird nicht erst seit gestern mit strahlenden LED-Wänden gerungen, die die Sendestrecken drahtloser Mikrofone empfindlich stören können. Dabei gibt es seit 2011 ein Gesetz, das dieses Problem lösen sollte. Doch insbesondere bei mobilen Systemen ist die Kontrolle schwierig. Wie geht die Branche damit um?

LED-Screens gehören zum Standard in mobilen wie festen Installationen im Indoor- und Outdoorbereich – ob als visuelles Designelement, Licht- und Farbgeber oder als moderne wie flexible Informationstafel. Und wie jedes elektronische Gerät, so erzeugen auch LED-Wände im Betrieb Magnetfelder, deren wechselseitige elektromagnetische Beeinflussung zu Störungen führen kann. Insbesondere ist hiervon der – vergleichsweise “ungeschützte” – Funkverkehr betroffen. Vermehrt berichten Monitortechniker, wie zum Beispiel Dirk Happel, von Problemen mit den Sendestrecken im Hoch- und Niederfrequenzbereich: 

„Wenn man mit einem Scantool seinen relevanten Frequenzbereich scannt, wird man dort sehr schmalbandige Peaks finden, die tatsächlich das Trägersignal stören. Im Hochfrequenzbereich sinkt dadurch nachvollziehbar die Reichweite oder es entsteht eine Signalverschlechterung im Sinne von Nebengeräuschen und hörbarem Rauschen. Im Niederfrequenzbereich sind Gitarrenpickups bzw. elektronische Geräte, die mit sehr kleinen Spannungen arbeiten, empfänglich für den Hochfrequenzbereich. Auf einer Tour hatten wir beispielsweise einen Boden, der im Prinzip komplett aus LED-Wänden bestand. Wenn da ein Fußtreter oder Effektgerät auf dem Boden lag, war es aufgrund der Nebengeräusche nicht mehr möglich, das zu betreiben. Erst wenn man das Gerät 10 bis 15 Zentimeter angehoben und es somit aus dem direkten Einstrahlungsbereich entfernt hat, ging es wieder.”

Viel hilft viel…

Auch Monitormann Horst Hartmann kennt diese Problematik sowie die Mittel, damit umzugehen: „Man muss sehen, dass man genügend Leistung auf dem Punkt hat. Leider sind wir da etwas limitiert. Wenn wir hier amerikanische Verhältnisse hätten – sprich: 100 Milliwatt an der Antenne – wären wir schon mal ein ganzes Stück weiter.“

Klar ist: Die Gewerke, allen voran die Monitorfraktion, finden Mittel und Wege, mit diesen Beeinträchtigungen umzugehen und Produktionen sauber zu Ende zu fahren. In den äußerst knapp kalkulierten Timeslots ist in der Regel kein Raum für tiefgreifende Problemlösungen vorgesehen. Das eigentliche Problem scheint vielmehr in früheren Gliedern der Kette zu sitzen – in der Konzeption von und dem Handel mit LED-Wänden. Denn: Warum bestehen diese technischen Probleme in der professionellen Veranstaltungstechnik trotz eindeutiger gesetzlicher Regelungen, die genau diese Probleme verhindern sollen?

Neue Regelungen

Mit dem neuen Produktsicherheitsgesetz (ProdSG), das seit Ende 2011 in Kraft ist, wurden auch hinsichtlich der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) von elektronischen Geräten, wie zum Beispiel LED-Wänden, neue Richtlinien und Normen festgelegt. Darunter fällt ebenfalls das Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln (EMVG). Gemeinsam regeln ProdSG und EMVG Sicherheitsanforderungen hinsichtlich beteiligter Personen sowie von technischen Betriebsmitteln im Zusammenspiel.

 ProdSG und EMVG:

Demnach müssen LED-Wände über eine CE-Kennzeichnung auf Basis einer EG-Konformitätserklärung verfügen, wenn sie legal im EU-Wirtschaftsraum gehandelt und betrieben werden sollen. Geräte, die den aktuell geltenden Werten nicht entsprechen, müssen nachgerüstet und neu zertifiziert werden.

Für die Einhaltung der EMV-Richtlinien ist die Bundesnetzagentur zuständig, die in ihrer Funktion als Marktaufsichtsbehörde im Ernstfall nicht-EG-konforme Anlagen komplett stilllegen darf.

Nur 2 von 23 Wänden innerhalb der Grenzwerte

Hört man in die Branche hinein, muss jedoch die Frage gestellt werden, inwiefern auf beiden Seiten – den Händlern und Betreibern von LED-Anlagen sowie der Bundesnetzagentur als Kontrollbehörde – Nachholbedarf hinsichtlich der praktischen Umsetzung der Gesetze und Richtlinien besteht. So gehen Branchenkenner von einer hohen Prozentzahl an LED-Wänden aus, die nach EMVG nicht über die erforderlichen Werte verfügen und somit illegal in Betrieb sind. Gestützt werden diese Schätzungen von Angaben der Bundesnetzagentur. So wurden im Jahr 2012 insgesamt 23 betriebene Videowände messtechnisch überprüft, von denen lediglich zwei Videowände die vorgegebenen EMV-Grenzwerte einhielten. Der Rest wies zum Teil erhebliche Grenzwertüberschreitungen auf, die höchste Überschreitung lag bei 58 dBµV/m. Nach der Norm EN 55022 dürfen Geräte im Frequenzbereich von 30 – 230 MHz bei der elektr. Feldstärke den Wert von 40 dBµV/m und bei 230 – 1.000 MHz den Wert 47 dBµV/m nicht überschreiten (jeweils im Abstand von 3 m).

  Signalstärke

  • wird in dBµV/m angegeben (dB-Microvolt pro Meter)

Nichtsdestotrotz mehren sich Stimmen, laut derer die erforderlichen Kontrollen durch die Bundesnetzagentur nur unzureichend vorgenommen werden bzw. nur in konkreten Verdachtsfällen erfolgen. „Die Bundesnetzagentur ist das schwächste Glied in der Kette”, so ein Branchen-Insider aus dem LED-Geschäft. Insbesondere bei mobilen Systemen, die häufig nur für einen Tag aufgebaut werden, scheint eine umfassende Marktaufsicht durch die Bundesnetzagentur kaum möglich. Anders gestaltet sich die Lage bei ortsfesten Anlagen, welche von der Bundesnetzagentur umfassender kontrolliert werden (zum Beispiel während mehrwöchiger Public Viewings). Doch der Fokus der Bundesnetzagentur liegt ganz klar auf Consumer-Produkten. LED-Wände stellen nur ein singuläres Problem dar – mit allen negativen Folgen für die Branche.

Wie schnell bereits in Betrieb genommene LED-Wände, die den Betrieb von Funk- und Telekommunikationsgeräten oder anderen Betriebsmitteln stören, seitens der Bundesnetzagentur beanstandet und sogar still gelegt werden können, zeigt das Beispiel in der Stuttgarter Mercedes-Benz-Arena. Dort störte die elektromagnetische Abstrahlung der LED-Wände den Polizeifunk.

Unwissenheit oder Ignoranz?

ce zeichen

Selbst gefälschte CE- und EMV-Zertifikate sind kein Einzelfall.Inwiefern die hier angesprochene EMV-Problematik seitens der Betreiber von LED-Wänden auf Unwissenheit und/oder das bewusste Entscheiden für günstigere Produkte, zum Beispiel aus China, zurückgeht, bleibt unklar. Fakt ist: LED-Produkte chinesischer Hersteller (die häufig über keine EG-Konformitätserklärung und keine gültige CE-Kennzeichnung verfügen) werden schon seit längerem verstärkt auf dem europäischen Markt angeboten und sind zumeist um ein Vielfaches günstiger als EMV-genormte Produkte. Darüber hinaus ist die Nachrüstung von nicht-konformen LED-Wänden technisch aufwändig und teuer, ein Umrüsten rechnet sich für Hersteller bzw. Betreiber in den meisten Fällen nicht.

Klaus Schuster (Technischer Betriebsleiter, Steinigke Showtechnic) sieht vor allem die Händler und Vertriebe in der Pflicht, die geltenden Qualitäts- und Sicherheitsstandards bindend auf die vorangehende Produktionskette zu übertragen: „Solange keine expliziten Vorgaben in Form von Pflichtenheften oder ähnlichen Regelungen hinsichtlich Normen, Richtlinien, Materialspezifikationen und Qualitäten gemeinsam mit dem ansässigen Fabrikanten getroffen und vereinbart werden und man sich nicht ausreichend über dessen Leistungsfähigkeit informiert hat, wird man immer Spielball des Lieferanten sein und es zu beidseitigen Frustrationen kommen.“ Bezüglich der Flut an nicht-konformen LED-Wänden aus China bringt es ein anderer Branchen-Insider auf den Punkt: „Hinsichtlich der Preise ist das Wettbewerbsverzerrung. Wenn wir da keinen Druck ausüben und nicht für die Einhaltung sorgen, ändert sich gar nichts.”

Keine einheitliche Meinung innerhalb der Branche

Doch wie steht es allgemein um das Bewusstsein der Verantaltungstechnikbranche hinsichtlich der EMV-Thematik bzw. den daraus resultierenden technischen Problemen für den Betrieb der Funkstrecken durch die Monitortechniker? Konkrete Nachfragen ergeben ein alles andere als einheitliches Bild. Einige Antworten bestätigen die Problematik, weitere verweisen auf die berühmten “Anderen”, wieder andere bagatellisieren die entstehenden Störungen.

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Über den Autor Alexander Cevolani:

alexander cevolani

Alexander Cevolani arbeitet als freiberuflicher Journalist und Redakteur im Bereich Veranstaltungstechnik und Musikproduktion.