Behind the Scenes des Eurovision Song Contest in Liverpool

Der Französische Beitrag „Évidemment“ von La Zara beim Eurovision 2023

Mit einem spannenden Finale ging der diesjährige 67. Eurovision Song Contest in Liverpool zu Ende. Sängerin Loreen aus Schweden konnte zum zweiten Mal die begehrte Trophäe nach Hause holen. Großbritannien übernahm 2023 die Ausrichtung des Contests stellvertretend für Vorjahrsgewinner Ukraine. Das Lichtdesign war mit über 2.500 Fixtures fulminant und die BBC empfing Millionen an TV-Zuseher weltweit mit offenen (Licht-)Armen. EventElevator hat vor Ort in der Liverpool Arena technische Details eingefangen. Lichtdesigner Tim Routledge sowie der erfahrene Stage und Production Designer Julio Himede erklären Hintergründe zum diesjährigen Showkonzept und wie man 37 Delegationen plus zahlreiche Interval-Acts in Minutentakt zelebriert. Damien Jackson, Project Manager vom Lichtdienstleister Neg Earth, sowie Lead Programer Tom Young fügen im Video weitere technische Details zu Licht-Equipment und Programmierung hinzu.

Lichtumarmung via Claypaky Sharpy X Frame

Wollte man im Vorjahr beim Eurovision in Turin noch mit einer kinetischen Sonne die Herzen von Publikum und TV-Fans erwärmen, so standen in diesem Jahr unter anderem vier gecurvte Lichtarme im Zentrum des Bühnendesigns, welche die Stage links und rechts einrahmten. Für das Stage Design 2023 zeichnete sich Julio Himede und sein Team von Yellow Studio aus New York verantwortlich. Eines der übergeordnenten Designziele war, „die Welt mit offnen Armen zu empfangen“, so Stage Designer Himede. Die reine Bühne in Liverpool war insgesamt rund 450 Quadratmeter groß und Lichtarme bildeten einen dynamischen Rahmen. „Die gute Zusammenarbeit zwischen Lighting und Stage Designer ist enorm wichtig und Tim (Routledge) hat unsere Idee des Umarmungs-Konzepts und die immersive Ausrichtung perfekt aufgenommen. Wir haben die einzelnen Stage-Elemente und das verwendete Lichtequipment mit Bedacht kombiniert und damit wir eine maximale Wandlungsfähigkeit für die einzelnen Delegationen erzielt – ein Keyfactor beim Eurovision“, erklärt Julio Himmede die Zusammenarbeit mit dem Lichtdesigner.

Lichtdesigner Tim Routledge ist bereits seit seinen frühen Kindheitstagen vom Eurovision fasziniert, dementsprechend war der diesjährige Eurovision ein echtes Herzensprojekt für ihn. Zum Inszenieren der 37 Delegationen und weiteren Intervall-Acts hatten er und sein Team zahlreiche Methoden und aufregende Lighting-Positionen geschaffen. Technisch unterstützt wurde er dabei auch von Neg Earth: „Wir haben hier weit über 2.000 Fixtures installiert, im Rig und auch rund um die Arena“, erklärt Damien Jackson vom Lichtdienstleister Neg Earth. An die 20 Trucks benötigte es, um den kompletten Licht-Fuhrpark anzuliefern. Jackson fügt an: „Die Herausforderung ist auch, alles im Zeitplan einzubauen, gleichzeitig mit all den anderen Gewerken. Zusätzliches gilt es, Patches und Netzwerke sicher zu installieren.“

Rehearsal des israelischen Beitrags „Unicorn“ von Noa Kirel

„Der Eurovision in diesem Jahr unterscheidet sich von der Architektur her stark von den bisherigen. Die vier gebogenen Arme geben mir baubedingt coole Lichtpositionen, und ich finde wir haben außergewöhnliche Looks gefunden, die Beams von dort aus einzusetzen, fügt Tim Routledge an. Jeder der vier seitlichen Lichtarme war dafür mit je mit rund 50 Claypaky Sharpy X Frame besetzt, mit denen Routledge und sein Team spannende Beam-Looks in Zusammenspiel mit den Performances der Delegationen kreierten. Sie waren eine der wichtigsten Beleuchtungspositionen, um der Show dramatische Light-Lines und Signature Moves zu geben sowie den Arena-Look zu erweitern. Die Palette reichte von verspielten Lichtarchitekturen, bis hin zu einem atemberaubenden, immersiven Regenbogen-Fächern für den finnischen Sänger Käärijä bei seinem Song „Cha Cha Cha“. Auch der französische Beitrag von „Évidemment“ von La Zara endete mit einem spektakulären Finale und zog nicht nur Blicke, sondern auch alle Beam-Fixtures auf sich.

Energiegeladen: Die Rückseiten der LED-Screen-Drehtüren waren ROBE TetraX bestückt.

Drehtüren-Twist mit ROBE TetraX und weitere Positionen

Die prominenten Drehtüren auf der zentralen Bühne waren ein weiteres Highlight des diesjährigen Bühnendesigns. Auf der einen Seite featureten die einzelnen Zeilen-Elemente mit Video-Panels von Creative Technology. Die Rückseiten der Drehtüren waren mit ROBE TetraX LED-Bars versehen, mit denen das Programmier-Team mächtige Lichtmatrix-Effekte generierte und natürlich auch nicht auf den Flower-Effekt verzichtete. Diese spektakuläre Transformation zeigt sich in vielen Songs auch beispielsweise beim israelischen Beitrag „Unicorn“ von Noa Kirel, bei der die spektakuläre Performance der Sängerin erst durch massive Pixeleffekte und später durch Video-Content unterstützt wird. Insgesamt wurden 190 der TetraX LED-Bars für den diesjährigen Eurovision verwendet. Am unteren Ende der Drehtüren waren als Add-on zusätzlich je zwei Claypaky Sharpy X Frame für Gegenlichteffekte positioniert.

Auf der vorgelagerten B-Stage wurden rundherum Robe Spiider auf Wahlberg-Hubsäulen gestellt.

Wenn alle Drehelemente auf 90-Grad-Stellung waren, kam die weitläufige Upstage-Light-Wall zum Vorschein. Diese war mit hauptsächlich mit ROBE Painte und weiterhin Martin Sceptron 10 LED-Lines bestückt, die punchy Beams und Effekte in die Arena pusteten. Fünf kinetisch bewegliche Lighting-Finger konnten über der Main Stage abgesenkt werden und enthielten Claypaky Scenius Unicos. So wurde die Show abermals mit Dynamik von oben unterstützt. Die zentrale, vorgelagerte B-Stage-Position umrandete das Lichtdesign-Team mit 22 beweglichen Hubsäulen von Wahlberg auf denen man ROBE Spiider Washer positionierte.

Rund 90 Ayrton Cobra wurden am Rand der Oval-Stage als weitere Verstärkung für Beam-Effekte genutzt. On-top wurden noch hunderte von Fixtures zur Beleuchtung des Publikums verwendetet darunter u.a.: Ayrton Karif, Martin MAC Viper AirFX, Martin MAC Aura PXL sowie Claypaky B-EYE K20. Das komplette Keylight-System wurde mit Hilfe von 66 ROBE Forte, 15 Forte FS und dem RoboSpot System umgesetzt.

Interval-Act Rita Ora: An der Oval-Stage setzte Tim Routlege auf verfahrbare Pods mit Ayrton Zonda 9 FX, die mit ihrer Trapezform an Svoboda Rampen erinnerten.

Hommage an die Svoboda Rampe feat. Ayrton Zonda 9 FX

Über der zentralen Oval-Stage kreierte Tim Routledge ein besonderes Highlight: seine persönliche Pod-Version von einer Svoboda Rampe, die er und das Team liebevoll „Svoboda 3000“ tauften. Für die zehn, rund um die Stage angeordneten, trapezartigen, beweglichen Pods kombinierte er jeweils neun Ayrton Zonda 9 FX mit einer Umrandung von sieben GLP impression FR10 Bars. Die ungewöhnlichen Pods waren ein genialer Eyecatcher in der Kamera und brachten eine individuelle, lichttechnischen Note in die Performances.

Performte für die Schweiz: Remo Forrer mit seinem Song „Watergun“

Erfolgreiches Eurovision-Debüt der grandMA3 Software

Neben grandMA3 Hardware wurde zum ersten Mal die aktuelle grandMA3 Software von MA Lighting erfolgreich beim Eurovision eingesetzt. Tim Routledges Team unterstützten unter anderem der Associate Lighting Designer Zhenya Kostyra aus der Ukraine sowie weiterhin Morgan Evans und James Scott (ebenfalls beide Associate Lighting Designer). Als Main Lighting Programer der Show zeichneten sich Tom Young Marc Nicholson (Keylighting) und Alex Mildenhall (FX Lighting) verantwortlich. 

Hardware-Technisch wurden für die Lichtprogrammierung insgesamt neun MA Lighting Konsolen verwendet, an der FOH Position wurden vier grandMA3 full-size sowie zwei grandMA3 light Pulte eingesetzt. Zusätzlich befanden sich noch drei Konsolen direkt an der Stage (zwei light und eine full-size Konsole), 23 grandMA processing units bildeten der Processing-Backbone.

Blick auf das Eurovision-Set vom Licht-FOH aus.

„Ein Eurovision ist unvergleichlich, von der Geschwindigkeit, der schieren Menge her, was alles involviert ist. Wenn der Zug mal läuft, gibt es keinen Halt mehr. Es macht absolut Spaß, in so einem großartigen Team zu arbeiten“, resümiert Programmierer Tom Young die Eurovision-Produktion.

Tim Routledge erklärt im Video zum Einsatz der neuen grandMA3 Software. „Wir haben uns bereits in der Frühphase des Projekts damit auseinandergesetzt, ob wir die MA2 oder die neue M3 Software einsetzen. Der Tenor war, wir gehen auf die 3er-Software, wenn wir das Gefühl haben, dass für uns alles ready ist. Meine Programmierer Tom Young und Alex Mildenhall haben sich stark mit MA Lighting beraten, die uns auch hier in Liverpool die komplette Zeit unterstützt haben – von den Previz bis hin zu den Reharsals. Und alles lief absolut rock solid.“

Das Programmierteam rund um Tim Routledge erhielt vor Ort Support von Ambersphere Solutions. Vom Licht-FOH aus wurden für die Show-Abläufe rund 130.000 Parameter verwaltet. On-top kamen noch mal rund 50.000 bis 60.000 zusätzliche Parameter für das Keylighting. Auch Alex Midenhall und Tom Young zeigten sich von Beginn an positiv gegenüber dem Einsatz der grandMA3 Software: „Alex (Mildenhall) und ich waren von Beginn positiv gegenüber einem Einsatz der MA3-Plattform und es hat sich wirklich ausgezahlt“, erklärt Tom Young und fügt an: „Einige der neuen Features haben uns im Alltag das Leben gerettet. Wir setzen viel auf die Recipes-Funktionalität und wenn wir Fixtures austauschen müssen, hat das unseren Programmierungsprozess deutlich vereinfacht. Weiterhin benutzen wir viel die MA Tools Plugins, die uns Prozesse ermöglichen, die man so nicht auf den anderen Plattformen erreichen kann.“