Bayern und die Versammlungsstättenverordnung: Wird schon schiefgehen

Open Airs – Kein Fall für die VStättV

Als erstes Bundesland hat Bayern im Dezember 2012 die Versammlungsstättenverordnung (VStättV) geändert. Künftig fallen Freiluftveranstaltungen ohne feste Tribünen nicht mehr in den Anwendungsbereich der VStättV. Ist doch toll, könnte man meinen, eine Vorschrift weniger. Aber ist jetzt die Sicherheit der Besucher noch ausreichend geregelt?

Die Oberste Baubehörde Bayern begründet die Änderung damit, dass die Abgrenzung zwischen „Veranstaltungen im Freien“ und „Versammlungsstätten im Freien“ in der Vergangenheit zu Schwierigkeiten geführt hat. In einer Stellungnahme von Thomas Waetke, Hartmut H. Starke und Michael Öhlhorn heisst es dazu: „Die Änderung der VStättV könnte allerdings den falschen Eindruck erwecken, dass für Veranstaltungen, die nun nicht mehr in den Anwendungsbereich der VStättV fallen, bspw. kein Sicherheitskonzept mehr benötigen würden und auch andere bisher gültigen Sicherheitsüberlegungen nicht mehr anzuwenden seien.“

Entweder VStättV oder LStVG

Die drei Experten zum Thema Veranstaltungssicherheit fürchten, dass durch die Änderung der VStättV künftig für Freiluftveranstaltungen wie Open Airs kein Sicherheitskonzept mehr vorgeschrieben ist. Das Bayerische Innenministerium sieht die ganze Angelegenheit wesentlich gelassener: „Eine „temporäre Veranstaltung“ im Freien fiel auch vor der Änderung der VStättV (und der BayBO) zum 01.01.2013 nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung. Gegenstand der Verordnung waren und sind „Versammlungsstätten“, also auf Dauer angelegte bauliche Anlagen, in denen bestimmungsgemäß Veranstaltungen durchgeführt werden sollen (z. B. Freilichttheater), nicht jedoch einzelne temporäre Veranstaltungen wie Musikfestivals. Die Veranstaltung einer „öffentlichen Vergnügung“ vor mehr als 1.000 Besuchern und außerhalb dafür bestimmter Anlagen bedarf der Erlaubnis durch die Gemeinde nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1  Nr. 3 Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG). Damit ist klar, dass entweder die Vorschriften der VStättV oder aber die des LStVG anwendbar sind.“

Eine Verordnung oder ein Gesetz greift also immer, VStättV oder LStVG. Das Problem ist nur: Ein Sicherheitskonzept fordert das LStVG im Gegensatz zur VStättV nicht. Das bayerische Innenministerium setzt hier auf die Eigenverantwortlichkeit derjenigen, die die Erlaubnis erteilen: „Im Rahmen der durch die Gemeinde nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LStVG zu erteilenden Erlaubnis wird bei Veranstaltungen der o. g. Größenordnung in aller Regel ein mit den einschlägigen Stellen (Polizei, Feuerwehr, Sanitäts- und Rettungsdienst, Straßenverkehrsbehörde etc.) abgestimmtes Sicherheitskonzept verlangt werden.“

Sicherheitskonzepte sind nicht zwingend vorgeschrieben

Michael Öhlhorn bezweifelt, dass die Gemeinden ihre Aufgabe erfüllen können Fakt ist aber: Es besteht keine Verpflichtung , ein solches Sicherheitskonzept einzufordern. Trotzdem besteht hier nach Ansicht des Innenministeriums keine Regelungslücke, die die Herren Waetke, Starke und Öhlhorn in ihrer Stellungnahme anprangern. Öhlhorn, Geschäftsführer von Vabeg Eventsafety, sieht eine klare Verschiebung der Verantwortung von den Behörden hin zu den Veranstaltern: „Zum einen wurde die Genehmigung bei Freiluftveranstaltungen verschoben, hier sind jetzt in den meisten Kommunen verwaltungsrechtlich in erster Linie nur noch die Ordnungsämter zuständig, ohne die Bauämter. Zum anderen steigt die Verantwortung des Veranstalters, da sich die Behörden wohl immer weniger mit den Sicherheitsinhalten beschäftigen können und wollen.“

Natürlich hat die Pressestelle des Innenministeriums auch eine Antwort auf die Frage parat, an welchen Richtlinien oder Verordnungen sich Veranstalter künftig orientieren können: „Wie bisher kann sich der Veranstalter selbstverständlich an einschlägigen Regelungen der VStättV orientieren. Wie bisher wird ferner in aller Regel eine rechtzeitige Abstimmung mit den für Sicherheitsbelange zuständigen Stellen (Polizei, Feuerwehr, Sanitäts- und Rettungsdienste, Straßenverkehrsbehörde etc.) erforderlich sein.“ Auch hier wieder die schöne Formulierung „in aller Regel“.

„Handreichung für Gemeinden“

Zukünftig sind also die Gemeinden für die Sicherheit von Veranstaltungen zuständig, die in Ihrem Zuständigkeitsbereich stattfinden. Das dürfte vor allem kleinere Gemeinden vor eine nicht unerhebliche Herausforderung stellen. Zwar verweist das bayerische Inneninisterium auf die Hilfestellung, die es leistet: „Für die Gemeinden, die für die Erlaubnis der o. g. Veranstaltungen zuständig sind, wurde von einer im Staatsministerium des Innern eingesetzten Arbeitsgruppe eine Handreichung für die sicherheitsrechtliche Beurteilung von Großveranstaltungen erarbeitet und im Dezember 2012 an die kommunalen Spitzenverbände versandt.“

Michael Öhlhorn hingegen hat seine Zweifel, ob die Gemeinden die ihnen zugedachte Aufgabe auch zufriedenstellend erfüllen können: „Für das LStVG sind in der Regel die Ordnungsämter zuständig, die für eine Kommune/ Stadt viele verschiedenen Themen bewältigen müssen. Hierbei handelt es sich um diverse Themen rund um die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Leinenpflicht für Hunde, Haltung gefährlicher Tiere, Badeverbote usw.). In kleineren Gemeinden sind die Aufgaben noch vielfältiger. Durch diese Fülle bleibt in der Regel wenig Zeit, sich mit dem komplexen Thema Veranstaltungswesen so zu beschäftigen, wie es eigentlich nötig wäre.“

Kommentar von Falco Zanini (Falco Zanini Event Safety):

Die besprochenen Änderungen der Muster-VStättVO sehe ich, wie die Kollegen, ebenfalls kritisch. Das Land Bayern, in dem die Änderungen nun zuerst umgesetzt wurden, kennt allerdings einige Unterschiede zu den anderen Bundesländern, die in der Antwort des bayerischen Innenministeriums beschrieben wurden.  Die erwähnte „Handreichung für die Sicherheitsbehörden“, die in der ersten Fassung vom 14.02.2011 datiert, fasst vieles zusammen und stellt für Bayern, nun in der Version 2, den Stand der behördlichen (Genehmigungs)-Technik dar.

Was in München und anderen bayerischen Großstädten aufgrund langer Behördenpraxis funktioniert, kann in kleineren Kommunen allerdings in der Tat dazu führen, den Schlendrian und das „haben wir immer schon so gemacht“ wieder in die Praxis umzusetzen. Die festgefügten Genehmigungsstrukturen existieren dort nicht oder werden aufgrund politischen Drucks nicht aufgebaut oder sicher gar wieder abgebaut.

Für die ländlichen und kleinstädtischen Bereiche anderer Bundesländer befürchte ich durch die Einführung der Änderungen tatsächlich eine Verschlechterung des Sicherheitsniveaus. Da in den Ordnungsämtern, die nun die Genehmigungen für Veranstaltungen im Freien erteilen müssen, das Fachwissen nicht vorhanden ist und sicher auch nicht die Zeit und das Geld für vernünftige Schulungen vorhanden sind, wird vieles wohl einfach durchgewunken werden. Im Idealfall wird sich hoffentlich dazu durchgerungen, die Federführung für die Verfahren an die Bauaufsicht abzutreten.