Matthias Fehr, Vorsitzender der APWPTNach wie vor herrscht große Verwirrung um die künftige Nutzung von drahtlosen Mikrofonen sowie In-Ear-Monitoring. Zwar wurden von der Bundesnetzagentur zwei neue Frequenzbereiche freigegeben, es ist aber längst nicht absehbar, wie diese Lösung funktionieren wird. EventElevator hat bei der Association Of Professional Wireless Production Technology (APWPT) nachgefragt und sich mit Matthias Fehr unterhalten.
EventElevator: Die Bundesnetzagentur hat mit den Verfügungen 9/2011 und 10/2011 zwei neue Frequenzbereiche für drahtlose Mikrofonnutzung allgemein zugeteilt. Sind damit nicht alle Probleme gelöst?
Matthias Fehr: Das glaube ich kaum, und zwar aus folgenden Gründen:
1. Im Bereich 790 bis 862 MHz gehen 48 MHz (6 TV-Kanäle) hochwertiges Spektrum verloren. Hochwertig deshalb, weil der militärische Primärnutzer dieses Spektrum nicht nutzte und demzufolge keine Störungen durch Fremdsingale zu befürchten waren.
2. Der Bereich 823-832 MHz ist eine sogenannte Duplexlücke: Ein Frequenzbereich, den der Mobilfunk systembedingt nicht nutzen kann. Das bedeutet im Klartext: Wir müssen zukünftig mit Störungen durch drahtlose Endgeräte des Mobilfunks rechnen, wenn diese sich beispielsweise im Zuschauer-oder im Beratungsraum befinden.
3. Die Qualität des Bereichs 1.785 bis 1.805 MHz ist für dicht am Körper getragenes Equipment nicht mit 470 bis 862 MHz vergleichbar, da die Ausbreitungsbedingungen wegen der höheren Frequenz schlechter sind. Höhere Dämpfung reduziert allerdings auch Störungen. Erste Test belegen, dass außer Haus generierte Störungen indoor gut gedämpft werden – ein Grund, sich diese Technik näher anzusehen.
EventElevator: Wie hoch schätzen Sie die Gefahr der Störung durch LTE-Netzwerke der Mobilfunkbetreiber ein?
Matthias Fehr: Solange keine geeigneten Endgeräte am Markt verfügbar sind, kann man hier nur spekulieren. Mit deren Markteinführung werden Test durchgeführt, die diese Frage beantworten sollen.
EventElevator: Der Bund Deutscher Amateurtheater geht davon aus, dass die kommerziellen Nutzer drahtloser Produktionstechniken Entschädigungen (auf Grundlage eines Erstattungskonzeptes des Bundeswirtschaftsministeriums und des Ministeriums der Finanzen) erhalten werden und die Amateurtheater leer ausgehen. Sind wir auf dem Weg zu einer Zwei-Klassen-Frequenz-Gesellschaft?
Matthias Fehr: Die APWPT sucht den Kontakt zu allen Betroffenen, also auch zu Verbänden der Amateurtheater. Wie können deren Sorgen nachvollziehen und sehen alle Abgrenzungsversuche staatlicher Stellen mit großer Befremdung.
EventElevator: Wie ist Ihre Meinung zur „Richtlinie über die Gewährung von Billigkeitsleistungen des Bundes an Sekundärnutzer wegen anrechenbarer störungsbedingter Umstellungskosten aus der Umwidmung von Frequenzen im Bereich 790 bis 862 MHz“?
Matthias Fehr: In Anbetracht der realen Situation handelt es sich um einen völlig ungeeigneten Versuch von BMF und BMWi, die Zusage auf angemessene Entschädigung zu erfüllen. Alleine die Begriffswahl „Billigkeitsleistungen“ zeigt, dass nicht an eine verbindliche Entschädigung gedacht wird.
EventElevator: Ist die zu befürchtende Konsequenz der bisherigen Entwicklungen, dass es in absehbarer Zeit keine Drahtlosübertragung in gewohnter Qualität und Zuverlässigkeit mehr geben wird? Oder hinkt die Technik nur den Entwicklungen hinterher?
Matthias Fehr: Man kann davon ausgehen, dass die Branche alle Möglichkeiten ausschöpfen wird, auch in Zukunft hochwertige Produktionen zu sichern. Unabhängig von der Entwicklung neuer Produkte, die den Herstellern Alles abfordern wird, sind allerdings bereits jetzt weitere Konsequenzen abzusehen:
– Es enstehen neue Kosten, die aus dem Budget der professionelle Produktion abzufangen sind.
– Die bisher gewohnte Frequenznutzung mit für das Tagesgeschäft überschaubarem Planungsaufwand wird sich ändern. Die Anwender drahtloser Werkzeuge werden sich umstellen müssen.
– Die kleineren Einrichtungen, ohne große Budgets, werden besonders betroffen sein.
EventElevator: Wird früher oder später alles wie vorher sein, nur eben auf anderen Frequenzen?
Matthias Fehr: Ja und nein. Solange kreative Menschen die Möglichkeiten der Physik ausschöpfen wird es auch eine drahtlose Produktion geben. Die weitere Reduktion des Funkspektrums zu Lasten der professionellen Veranstaltungsproduktion kann allerdings zu einem Zustand führen, der durch Technik nicht kompensiert werden kann. Daher setzt sich der APWPT dafür ein, dass dieser Ernstfall nie eintreten möge. Schon zuvor könnten wachsende Produktionskosten für bestimmte Genres zu einer grenzwertigen Belastung führen.
EventElevator: Wie sollten sich Nutzer verhalten, die bereits über viele Funkstrecken verfügen? Abwarten oder jetzt in neues Equipment investieren?
Matthias Fehr: Organsiationen, die über vielen Strecken verfügen (z. B. Verleiher, zentrale Veranstaltungshäuser oder große Theater) haben sich längst mit der Planung enstprechender Budgest befassen müssen. Hier sind die notwendigen Entscheidungen wahrscheinlich getroffen worden. Problematisch ist die Situation für alle Einrichtungen, die Budgeteinschränkungen akzeptieren müssen (z. B. öffentlich getragene Einrichtungen mit hohem Sparzwang). Nicht wenige davon müssen geplante Vorhaben sogar erst ausschreiben und können danach nur zu bestimmten Zeiten die Umstellung vornehmen (z. B. in der Theaterspielpause).
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