Der Spatial Sound, der im Berliner Vollgutlager beim CTM Festival zu hören war, ist aus dem AUDIOWERK in der Lützowstraße angereist. Es beginnt 2018 auf dem Moogfest in Durham, North Carolina. Dort trafen Mouse on Mars – Jan St. Werner und Andi Toma – auf Steve Ellison, Director, Spatial Sound bei Meyer Sound. „Wir sind keine Band im klassischen Sinne, sondern ein Mini-Forschungszentrum“, sagt Jan St. Werner. Meyer Sound und Mouse on Mars, das passte zusammen. Auch weil, wie Werner sagt, die Wege kurz seien, die Verbindlichkeit groß und der Forschergeist beiderseitig.
Zweistündigen Sound-Ausstellung „Ventrilogues“
AAI (Anarchic Artificial Intelligence), das aktuelle Konzeptalbum von Mouse on Mars, wurde unter anderem in Zusammenarbeit mit Louis Chude-Sokei erarbeitet und ist mit Hilfe von Meyer Sounds Tool Spacemap Go entstanden.
Eine knapp halbstündige Bearbeitung von AAI war kürzlich auf dem CTM Festival im Berliner Vollgutlager zu hören – als eines von vier Klangkunstwerken der insgesamt zweistündigen Sound-Ausstellung „Ventrilogues“.
Die Bearbeitungen für „Ventrilogues“ fanden im AUDIOWERK BERLIN statt, das IT AUDIO an ihrem Firmensitz in der Berliner Lützowstraße gegründet hat. Im größten der dortigen Seminarräume, einem langgestreckten Rechteck mit circa 120 Quadratmetern, ist ein System von Meyer Sound installiert: Fünf ULTRA-X20, 19 UP-4slim, vier USW-210P und zwei Galileo GALAXY 816 mit Spacemap Go; der ideale Ort für die „Ventrilogues“-Künstler, um den Sound mit Spacemap Go in Bewegung zu setzen und ihren Spatial Sound für das Festival zu justieren. So weit, so gut.
Derweil konfigurierte Ivo König, einer der beiden Geschäftsführer von IT AUDIO, das Soundsystem für die eigentliche Spielstätte von „Ventrilogues“, das Vollgutlager auf dem Gelände der Alten Kindl Brauerei in Neukölln. „Bei der ersten Ortsbesichtigung habe ich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, weil der Nachhall in diesem gefliesten Raum unglaublich lang war“, sagt Ivo König. Hinzu kommt, dass die Eventfläche im Vollgutlager an die 1.100 Quadratmeter groß ist – fast zehn Mal so groß wie der Seminarraum im AUDIOWERK. Die Deckenhöhe beträgt 5,50 Meter, darunter verlaufen Betonverstrebungen und große Rohre.
Ivo König musste die richtige Balance aus Dämmung, Echovermeidung und Nachhall finden. „Ich kann mir mittlerweile ganz gut vorstellen, welche Wirkung bestimmte Maßnahmen da und dort im Raum haben, und wie man in Bereiche kommt, wo man langsam mal perkussives Material abspielen kann, ohne drei Echos von irgendwelchen Ecken zu hören, oder wie Nachhall als akustisches Element wirken kann“, sagt König.
Dialog aus Reflexionen, Diffusionen und Affirmationen
Für Mouse on Mars ist ein tendenziell schalltoter Raum ohnehin nichts Erstrebenswertes. Mouse on Mars wünschen sich Räume, die einen Dialog herstellen können zwischen Reflexionen, Diffusionen oder auch Affirmationen. „Diese Mischung macht den interessanten Raum aus. Auch, dass bestimmte Frequenzen eben auftauchen und wieder verschwinden können, ist spannend“, so Jan St. Werner.
König behängte schließlich zwei Wandflächen mit schwerem, zweilagigem Molton und montierte um die Lautsprecher herum Kränze aus Moltonband an den Traversen, um die Reflexionen im oberen Bereich einzudämmen.
Er spezifizierte ein System aus 27 ULTRA-X40, acht 900-LFC und vier Galileo GALAXY 816 mit Spacemap Go. Je fünf ULTRA-X40 wurden an den Längsseiten des Raums an Traversen geflogen, je vier an den Stirnseiten. Drei Dreiergruppen aus ULTRA-X40 wurden in gleichmäßigem Abstand auf der Mittelachse des Raums geflogen, jede Gruppe horizontal um 120 Grad gewinkelt, um die Innenfläche komplett abzudecken. Die 900-LFCs wurden in Zweiergruppen cardioid in den vier Raumecken gestackt.
Damit war ein System konfiguriert, auf das sich das Material aus dem AUDIOWERK übertragen ließ. Der Sound bewegte sich exakt so durch den Raum, wie im viel kleineren AUDIOWERK geplant. „Wir wollten eine unverfälschte Wiedergabe samt Time Alignment zu den Bässen und haben das alles sehr genau betrieben. Unser Ziel war es, für die Künstler eine gute Arbeitsumgebung zu schaffen, so wie es alle aus dem AUDIOWERK gewohnt waren.“
„Das Schöne ist, dass Spacemap Go so einfach skalierbar ist. Die Größe des Raums und die Anzahl der Lautsprecher sind nicht ausschlaggebend. Man kann mit dem Sound malen, und der Pinselschwung hat Platz auf der Leinwand“, bestätigt Jan St. Werner.
Abenteuer Hören
Diese Skalierbarkeit behebe auch eine Schwierigkeit, mit der fast alle tourenden Künstler zu kämpfen hätten: „Wenn du als Künstler kreativ mit einem System arbeiten willst, ist es sehr spät, wenn so ein System erst am Aufführungsort zur Verfügung steht. So ein System muss in die Produktion integriert werden. Du musst es vor deinen Ohren haben, wenn du im Studio etwas machst. Du wirst anders komponieren, du wirst ganz anders mit Klängen umgehen, sehr viel konzentrierter und reduzierter. Du wirst anders arrangieren, du kommst auf ganz andere Narrationen.“ Dazu ist genau jene Skalierbarkeit erforderlich, wie Spacemap Go sie bietet.
Ein entscheidender Punkt ist hierbei, dass die Algorithmen von Spacemap Go die virtuellen Schallquellen einer Installation exakt abbilden können, also jene Bereiche zwischen den Lautsprechern, die als Phantomschallquellen hör- und verortbar sind und so für die nahtlose Bewegung des Schalls durch den Raum sorgen.
Nahtlos verlief auch der Transfer vom AUDIOWERK ins Vollgutlager. Ein Nachmittag reichte für Mouse on Mars aus, um AAI in all seiner Bewegung und Vielschichtigkeit auf das System in der großen Halle zu bringen.
„Wir sind sozusagen auf einer Mission“, so Jan St. Werner, „Wir wollen von der Mitte des Klangs aus denken und nicht auf ein Stereobild hinarbeiten. Und dabei begleitet uns Meyer Sound. Da ist auch kein Sound vorkonfektioniert. Meyer Sound geht diesen anderen Weg: Das ist immer noch das ‚Abenteuer Hören‘.“
Neben AAI von Mouse on Mars waren bei „Ventrilogues“ unter anderem Arbeiten von Soundwalk Collective mit Charlotte Gainsbourg, AtomTM, Lyra Pramuk, Paul B. Preciado und Willem Dafoe zu hören, außerdem Martin Pietruszewski mit Alex Freiheit sowie eine Kollaboration von Jessica Ekomane und Rully Shabara.