Lawo IP-Technologie für das Opernhaus Zürich

Orchesterproberaum am Kreuzplatz in Zürich

Das renommierte Opernhaus Zürich baut für die kommende Spielzeit auf Lawo Technologie, um bei Aufführungen mittels einer IP-basierten Infrastruktur zusätzliche Räumlichkeiten für Orchester und Chor zu einem Gesamterlebnis einbinden zu können. Denn nur durch räumliche Trennung können die wegen Covid-19 geforderten Abstandsregeln eingehalten und damit die für die Saison 2020/2021 geplanten Opern, Operetten und Ballette dem Publikum dargeboten werden. Remote Production ist geeignet, nicht nur die Entfernungen in technischer Hinsicht zu überwinden, sondern sorgt mit den nun möglichen Workflows über die Lawo Installationen dafür, dass sie in der Wahrnehmung für Aufführende und Publikum gänzlich verschwinden. 

Bregenzer-Prinzip als Reaktion auf Covid-19

Dazu nutzt das Opernhaus Zürich zukünftig ein Lawo mc²36 Pult, Stageboxen mit Lawo mc² Compact I/O Einheiten sowie V__remote4 Geräte für den Transport und die Verarbeitung von Video- und Audiosignalen, speziell konzipiert für WAN-basierten Remote-Produktionen. Weiterhin wurde der Nova73 HD Core des bereits im Haus installierten Lawo mc²56 Audiomischpults mit einer zusätzlichen RAVENNA Karte und SFPs aufgerüstet.

Dass eine Lösung für die zukünftige Aufführungspraxis gefunden werden musste, war definitiv klar, nachdem der Lockdown in der Schweiz am 15. März 2020 beschlossen wurde. „Wir saßen erst einmal überrumpelt zu Hause, aber schon kurz darauf überlegten wir, wie es nun weitergehen soll,“ so Oleg Surgutschow, Leiter der Tonabteilung. „Während einige Abteilungen unter den vorgegebenen Corona-Maßnahmen weiterarbeiten konnten, beispielsweise die Werkstätten und Kostümabteilung, war das für die Tonabteilung nur sehr eingeschränkt möglich. Für die nun ungewisse Zukunft musste also schnell ein Konzept gefunden werden, um einen effektiven Probenbetrieb und später eine Spielzeit auf dem gewohnten hohen Niveau sicherzustellen.“

Da sich der Orchestergraben für die geforderten Mindestabstände zwischen den Musikern als zu klein erwies und auch der Chor zu eng zusammenstand, war klar, dass beide Kollektive räumlich getrennt voneinander musizieren mussten. Die Direktion des Hauses diskutierte verschiedenste Konzepte, wie man eine Spielzeit trotz der Auflagen umsetzen könnte, bis die Idee geboren wurde, das Bregenzer-Prinzip auf das Opernhaus zu übertragen. 

Nachdem man sich darauf geeinigt hatte, setzten sich der Generalmusikdirektor des Hauses, Fabio Luisi, Oleg Surgutschow sowie Michael Utz, der stellvertretende Leiter der Tonabteilung zusammen, um gemeinsam mit anderen Gewerken die Umsetzung auszuloten. Die Gespräche erwiesen sich als äußerst fruchtbar, denn Fabio Luisi fungierte bereits als Dirigent bei den Bregenzer Festspielen, wo bereits seit Jahren Audio- und Video-Signale wie auch Interkom per Fernverbindung zwischen der Bühne, dem davon räumlich getrennten Orchester und dem Publikum übertragen werden. 

Schnelle Umsetzung

„Nach kurzer Zeit begannen wir mit der Umsetzung dieser Idee,“ so Utz. „Allerdings musste von vornherein die Infrastruktur an die Bedürfnisse unseres Hauses angepasst werden. Denn während es sich bei den Bregenzer Festspielen um Aufführungen handelt, die jeweils über einen langen Zeitraum laufen, ist beim Opernhaus Zürich ein wechselndes Programm mit wechselnden Musikern und Ensembles die Regel, so dass das Equipment mobil einsetzbar und die Einstellungen sicher und schnell anpassbar sein mussten.“

Die entsprechenden Räumlichkeiten waren schnell geklärt – der etwa 1 km Luftlinie vom Opernhaus entfernt gelegene Orchesterproberaum am Kreuzplatz in Zürich bietet genügend Raum für Orchester und Chor, die sich jeweils im Parkett und auf der Tribüne aufstellen.

Die Zeit drängte, denn man musste davon ausgehen, dass sich die Lieferzeiten für die Technik durch die Corona-Beschränkungen verlängern würden – ganz gleich, welche Lösung am Ende umgesetzt werden sollte. Also musste schnellstmöglich die Entscheidung fallen und dann das Material beschafft werden: die Ausstattung für die Infrastruktur zum Bereitstellen der Audio- und Videosignale und ihre Übertragung, wie auch die Peripherie, beispielsweise 60 Mikrofone für die Musiker, von denen jeder einzelne wegen der Abstandsregeln nun ein Einzelpult besetzt und sich nicht wie sonst zwei ein Doppelpult teilen. 

„Die Anforderungen an die Übertragung waren selbstverständlich hoch,“ bestätigt Surgutschow. „So musste der Orchesterklang im Saal reproduziert, die Musik und die Bewegungen des Dirigenten übertragen und auch die Kommunikation zwischen Bühne und Orchesterproberaum und anderen technisch relevanten Positionen gewährleistet werden. Dazu brauchte es eine sichere Verbindung, die latenzfrei Audio- und Videosignale übertragen konnte. Daher entschieden wir uns für RAVENNA-Technologie mit zwei RAVENNA Streams, die 128 Kanäle in beide Richtungen bietet. Als Lösung für die Übertragung haben wir eine direkte, redundant angelegte Glasfaserverbindung von der Stadt Zürich gemietet, so dass eine Reserveleitung jederzeit bereitsteht.“

Lawo mc²36 im Opernhaus Zürich

Wellenfeldsynthese mit SpatialSound Wave

Für das Opernhaus Zürich als langjähriger und zufriedener Lawo-Kunde, lag es auf der Hand, auch eine Lösung von Lawo unter die Lupe zu nehmen und abzuwägen. Die Firma Tingo aus Muri, die bereits beim Neubau 2014 beim Opernhaus als Planer und System Integrator involviert war, half auch dieses Mal bei der Planung und Evaluierung.

Lawo konnte die gesammelten Erfahrungen, gewonnen aus vielen anderen Remote-Produktion-Projekten, einfließen lassen. Für das Opernhaus erschien es überdies sinnvoller, Lawo-Technologie einzubinden, da sich neues mit dem zuvor installierten Equipment einfach integrieren lässt und eine effizientere Arbeit möglich ist. Das Lawo-Setup umfasst eine Compact I/O Stagebox, ein 24-Fader mc²36 „All-in-one“-Mischpult und mit dem V__remote4 zur Wandlung und Übertragung der AV-Signale eine bidirektionale, vierkanalige Video-over-IP-Schnittstelle mit vier lokalen SDI-Ein- und Ausgängen, sowie weitere Tools, die für die Produktion über WAN erforderlich sind. Eine V__remote4-Einheit als Gegenstück steht im Opernhaus, wo sich auch das bereits seit 2018 installierte Lawo mc²56 befindet, nun mit RAVENNA-Karte und SFPs im Nova73HD-Core ausgestattet. „Die V__remote4 Lösung deckt alle unsere Bedürfnisse ab – ein sehr leistungsfähiges System in schlanker Ausführung“, so Surgutschow.

Vom Kreuzplatz aus werden die Tonsignale über die compact IO, das mc²36 Pult und über V_remote4 ins Opernhaus übertragen, wo ein weiteres V__remote4 die Signale übernimmt. Dort wird am mc²56 die Tonmischung vorgenommen, die dann auf die Beschallungsanlage gegeben wird. Die Dirigenten leiten Orchester und Chor, die an der Kreuzstraße musizieren, per Kamera aus dem Opernhaus. Die Infrastruktur nutzt auch die Multiviewer-Option der V_remote4, wodurch beispielsweise in einer Totalen die Bühne mit Dirigenten übermittelt werden kann. Die Kommunikation basiert auf der bereits zuvor installierten Riedel Artist Anlage. Die Hauptaufgabe des mc²36 Konsole liegt im Monitormix für den Dirigenten, kommt aber auch bei parallel stattfindenden Proben, individuellen Soundchecks und hin und wieder bei Tonaufnahmen zum Einsatz.

Im Opernhaus kommt die Wellenfeldsynthese zur Anwendung, bei der über die Lawo-Pulte 32 mögliche Hörpositionen angesteuert werden. Die große Kreuzschiene ermöglicht es, den 3D Sound SSW (SpatialSound Wave) von Fraunhofer IDMT für Surround- und raumakustische Anwendungen problemlos zu integrieren (siehe auch das PDF Forschung kompakt: 3D-Sound für das Opernhaus Zürich). Die Spatial Sound-Wave-Technologie des IDMT ermöglicht die objektbasierte Audiowiedergabe und bietet gegenüber herkömmlichen Wiedergabesystemen beispielsweise einen erweiterten Sweet-Spot sowie die Möglichkeit, eine Audioproduktion kompatibel für beliebige Lautsprecher-Setups, derzeit mit 80 Lautsprechern zu erstellen. Zehn Lautsprecher im Orchestergraben bilden dabei die erste Wellenfront, so dass dort der Orchesterklang emuliert wird. Die Latenz von insgesamt 10ms (Video) und 5ms (Audio) inklusive Emulation erfordert kaum Nachjustierung zur Synchronität. Da die Ensembles gewohnt sind, mit dem bereits zuvor existierenden Kamerasystem zu arbeiten, stellt diese Umstellung kein Problem dar, im Gegenteil ist die Performance der Technik nun deutlich besser als zuvor.

Opernhaus Zürich

Die Proben, die mit Abnahme, Übertragung, Bühnenpräsenz und Beschallung zum Teil bereits als Aufführung umgesetzt wurden, verliefen erfolgreich und lassen eine interessante, künstlerisch wertvolle und qualitativ hochwertige Saison 2020/2021 erwarten.

Die erste Premiere findet am 20. September 2020 statt. Zur Aufführung kommt die Oper „Boris Godunow“ von Modest Mussorgski, gefolgt von „Die Czárdásfürstin“, einer Operette von Emmerich Kálmán.