Die SSS4EU-Tournee des kanadischen Künstlers Drake setzte in Europa auf ein präzise geplantes Zusammenspiel aus Licht, Video, Rigging und Logistik. Die technische Umsetzung in der DACH-Region sowie die Beleuchtungs-, Rigging- und Videotechnik in Europa wurde von PRG UK aus Longbridge, Birmingham bereitgestellt, in enger Abstimmung mit PRG North America. Diese interkontinentale Zusammenarbeit sorgte dafür, dass das Showkonzept weltweit konsistent umgesetzt werden konnte – unabhängig vom Kontinent, auf dem die Show stattfand.
Von Wireless zur Arena: Produktionsumfang und Tourstruktur
Die Europatournee startete direkt im Anschluss an das Wireless Festival 2025 im Londoner Finsbury Park. Drake war dort an allen drei Abenden Headliner, mit jeweils unterschiedlichen Setlists und Gastauftritten. Für Wireless wurde eine vergrößerte Variante des Tour-Setups genutzt, bei der PRG UK die Beleuchtung und das Rigging stellte.
Die Tour selbst setzte nach Tourabschnitten in Nordamerika und Australien an, die bereits zu Jahresbeginn umgesetzt wurden. Dort verantwortete PRG North America die Beleuchtungs- und Videoproduktion. Für Europa trat PRG UK an, um das bestehende Showkonzept zu übertragen, zu skalieren und unter lokalen Bedingungen zu betreiben.
Der Tourplan in Europa war eng getaktet: Mehrere Shows Back-to-Back über zehn Wochen mit nur wenigen Pausen. Produktionsleiter Joseph Lloyd koordinierte die Abläufe vor Ort. Insgesamt begleiteten die Produktion 32 Lkw, darunter drei mit doppelten Stufen- und Rigging-Elementen, die rotierend eingesetzt wurden, um den Aufbau effizient zu halten. Die Audioausstattung kam von Clair Global.
Drake auf dem Wireless Festival (Foto: © Dylan Swann)Künstlernähe als Designprinzip
Das kreative Grundkonzept wurde von Matte Babel entwickelt. Es basiert auf zwei reduzierten, sogenannten „nackten“ Bühnen an beiden Enden der Arena. Diese Bühnen sind über erhöhte transparente Acryl-Laufstege miteinander verbunden, die entlang beider Längsseiten der Halle verlaufen. So entsteht eine vollständige 360-Grad-Situation: Publikum außen, Publikum zwischen den Bühnen, Publikum unter den Laufstegen.
Ziel war maximale Nähe zwischen Drake und den Fans. Drake bevorzugt Arenen statt Stadien und zentrale Spielflächen statt klassischer Head-of-Hall-Bühnen. Die Inszenierung erlaubt es den Zuschauerinnen und Zuschauern, sich frei unter und um die Laufstege herum zu bewegen und den Künstler aus verschiedenen Perspektiven zu erleben. Matte beschreibt das als eine frei fließende Party in der Mitte des Raums.
Matte Babel: „Die Zusammenarbeit mit einem Künstler von Drakes Kaliber und Statur ist eher kooperativer Natur.“ Er betont, dass die Aufgabe darin bestand, Drakes künstlerische Identität sichtbar zu machen: eine reduzierte, unmittelbare Präsentation des Künstlers statt einer spektakelgetriebenen Show wie bei der vorherigen ‚It’s All A Blur‘-Tour mit Robotern, Lasern, fliegenden Requisiten und Großbauten.
Die Inspiration kam aus minimalistischen Galerieräumen mit industriellem Charakter. Räume, in denen Licht und Präsenz der Besucher selbst Teil der dramaturgischen Erzählung sind.
Kinetische Lichtarchitektur als zentrales Element
Die visuelle Sprache der Tour beginnt mit der Beleuchtung. Da die Bodenflächen möglichst frei gehalten werden sollten, wurde nahezu die gesamte Technik in den Luftraum verlegt. Das bedeutete Gewichts- und Strukturgrenzen für Traversen, Audio und kinetische Aufhängungen.
Der Lichtaufbau besteht aus einem großflächigen Mothergrid über der Arena: ein 180 mal 50 Fuß großes Grid mit sechs Spannweiten von jeweils 80 Fuß, in drei Reihen mal zwei Reihen strukturiert. Daran hängen 16 vorgerüstete 70-Fuß-Traversen, die speziell von PRG modifiziert wurden.
Diese Traversen tragen drehbare Sektionen à 10 Fuß, die über motorisierte Claypaky Panify 2 Plattformen bewegt werden. Jede dieser Sektionen – intern „Spinner“ genannt – ist mit zwei Martin VDO Sceptron Linear Strips und zwei GLP Impression X5 Compact Moving Lights bestückt. Insgesamt umfasst dieser kinetische Bestandteil der Show 112 solcher Spinner mit in Summe rund 1180 Leuchten.
Die 16 Traversen sind jeweils an drei TAIT 1-Tonnen-NAV-Hebevorrichtungen angeschlagen und können in unterschiedlichen Konfigurationen abgesenkt oder geneigt werden. Teilweise gleiten die Lichtquellen knapp über die Köpfe des Publikums und erzeugen eine sehr direkte, clubartige Atmosphäre.
Die Bewegungssteuerung der kinetischen Elemente erfolgt über das TAIT Navigator System. Die Programmerstellung erfolgte in Zusammenarbeit von Sydney Rush, Guy Pavelo, John Torres und Matte Babel.
Drake SSS4EU Tour in Manchester (Foto: © Dylan Swann)Lichtdesign zwischen Theater und Arena
Das Lichtdesign stammt von John Torres. Torres kommt aus dem Theater-, Tanz- und Opernumfeld in New York. Die dort erlernte Erzählweise durch Licht überträgt er auf Live-Musik, Mode-Inszenierungen und Tourneeproduktionen.
John Torres sagt: „Das Theater lehrt dich, dass Licht Poesie beinhaltet, die für die Gestaltung einer Erzählung unerlässlich ist. Drakes Musik nimmt die Menschen mit auf eine Reise, und wir versuchen sicherzustellen, dass die Beleuchtung dies widerspiegelt.“
Torres’ Aufgabe in dieser Produktion war es, die kinetische Anlage dramaturgisch einzubinden: Wie bewegen sich die Traversen, wie variieren sie Winkel, Tiefe, Schattenwurf und Öffnung der Räume im Verlauf der Setlist. Die Show ist stark über Timecode strukturiert, um das Zusammenspiel von Licht, Bewegung und Musik präzise zu halten.
Die Programmierung der Lichtshow vor Tourstart unterstützten Kelley Shih und Eric Christian. Danielle Elegy war als Associate im Kreativteam eingebunden.
Vor Ort verantwortete Guy Pavelo die Umsetzung als Lighting Director und zugleich als Technischer Leiter der Tour. Guy arbeitet seit rund 15 Jahren mit Drake zusammen und war maßgeblich daran beteiligt, Matte Babels Konzept technisch in eine tourtaugliche Lösung zu übersetzen.
John Torres sagt: „Guy ist ein Genie darin, das gesamte System technisch zusammenzustellen und mit all unseren Partnern in Kontakt zu bleiben. Sein Beitrag ist von unschätzbarem Wert.“
Traversen, Effekte und Publikumslicht
Die Show nutzt unterschiedliche Layer von Licht:
Haupttraversen
Die 16 beweglichen Traversen bilden die zentrale kinetische Ebene.
Publikumstraversen
Entlang der vier Seiten der Arena verlaufen zusätzliche Traversen (zwei mit 100 Fuß Länge, zwei mit 70 Fuß Länge), bestückt mit Ayrton Veloce Profile Moving Lights und JDC1-Strobes. Die Veloces sind eine neue Investition von PRG UK. Sie setzen Akzente entlang der Laufstege und sorgen für direkte Ausleuchtung beider Bühnen.
Mothergrid
Im Mothergrid sitzen außerdem 64 JDC1-Strobes für Flash- und Impuls-Looks in Abhängigkeit von der aktuellen Position der beweglichen Traversen.
Follow-Spots
Zwei Follow-Spots sind im Mothergrid positioniert, zwei an den langen Seiten der Publikumstraversen und vier weitere in den Zuschauerrängen. Alle Follow-Spots werden über die Ground Control Remote-Solution von PRG gefahren. Die Operator sitzen versteckt hinter der Bühne und behalten Drake permanent im Bild.
Atmosphäre
Zur Unterstützung der clubartigen Atmosphäre setzt die Produktion acht MDG theONE Nebelmaschinen plus Lüfter ein. Nebelmanagement in einer großflächigen Arenaumgebung ist ein eigener Aufgabenbereich, da Stimmung, Sichtbarkeit der Beams und die Sicherheit des Publikums gleichzeitig berücksichtigt werden müssen.
Steuerung
In Summe laufen etwa 200 Universen an Licht-Daten in Guys grandMA3 Full Size zurück. Guy steuert darüber nicht nur die Beleuchtung, sondern bindet auch die Videosignale über die Mbox Serverstruktur in seinen Workflow ein.
Die Beleuchtungscrew umfasste 14 Personen und wurde von Lighting Crew Chief Ronnie Beal von PRG North America koordiniert. Beal war bereits in der Vorproduktionsphase bei PRG UK in Longbridge eingebunden.
Drake SSS4EU Tour in Manchester (Foto: © Dylan Swann)Bühnen, Laufstege und Sichtachsen
Die beiden End-of-Hall-Bühnen spiegeln sich in Aufbau und Funktion. Beide Bühnen verfügen über Gitterflächen und ein Unterdeck in etwa einem Meter Höhe. Unter diesem Deck sitzen 62 JDC1-Strobes für vertikale Flash-Effekte durch das Gitter.
Im Bühnenhintergrund stehen 25 JDC1 Burst, dazu kommen 22 GLP Impression FR10 LED-Bars in zwei Reihen (Front und Back) sowie 10 Astera Titan Tubes an der Bühnenkante. Diese Elemente sind so positioniert, dass sie die klare, offene, rohe Ästhetik unterstützen und die Sichtlinien auf Drake nicht verbauen.
Besonderes Element der Produktion ist die Laufstegbeleuchtung. Die Laufstege sind skalierbar, abhängig von der jeweiligen Venue. Unter den von TAIT gebauten Spezialdecks sitzen rund 200 Astera Titan Tubes in maßgefertigten Halterungen. Die Tubes werden tagsüber im Case geladen, dann unter die Stegsegmente geklemmt und laufen im Showbetrieb kabellos. Gesteuert werden sie zentral über Guys grandMA3.
Die gesamte szenografische Struktur ist darauf ausgelegt, Drake permanent sichtbar zu halten, die Distanz zu verringern und dem Publikum das Gefühl zu geben, Teil der Inszenierung zu sein.
Videoarbeit ohne klassische LED-Wall-Front
Da die Bühnen bewusst offen gehalten sind, spielt Video nicht die übliche Rolle einer dominanten LED-Backdrop-Fläche. Stattdessen setzt die Produktion auf IMAG-Screens, die so positioniert sind, dass auch entfernte Zuschauerinnen und Zuschauer klare Sicht auf den Künstler haben, ohne den offenen Bühnencharakter zu zerstören.
Die Bildregie lag bei Colleen Wittenberg. Wittenberg wurde bei den TPi Awards 2024 als Videospezialistin des Jahres ausgezeichnet. Sie arbeitet als freiberufliche Video Director aus Nashville und ist über PRG in die Drake-Produktion eingebunden worden. Die SSS4EU-Etappe war ihr erstes 360-Grad-Live-Video-Projekt auf Tour.
Für die Live-Bilder setzte sie auf vier bemannte Grass Valley LDX 135 Kameras mit 99-fach Zoomobjektiven, vergleichbar mit Sportproduktionen, die auf allen vier Seiten der Halle auf unteren Zwischenebenen standen. Ergänzt wurde das System durch eine Grass Valley LDX 86c auf einem Steadicam-Rig mit 24-fach Zoom für dynamische Bewegungsshots.
Zusätzlich kamen vier Panasonic PTZ 150 und zwei PTZ 130 Remote-Kameras zum Einsatz. Die PTZ 150 wurden in einem Zickzackmuster im Vordergrund beider Bühnen positioniert. Die PTZ 130 kamen am DJ-Set zum Einsatz, das auf einer der Tribünen an einer Längsseite aufgebaut war. Eine der PTZ 130 zeichnete außerdem eine Weitwinkel-Ansicht des gesamten Raums auf, inklusive der kinetischen Beleuchtungsstruktur.
Colleen nutzte einen Grass Valley Karrera 2M/E Switcher mit beiden M/E-Bussen sowie zwei Aux-Bussen. Das Videoteam bestand aus ihren beiden Engineers Randy Ice und Braxton Carico sowie acht weiteren Teammitgliedern. Colin Mudd, Head of Video bei PRG UK, verantwortete den laufenden Videobetrieb und unterstützte die Crew vor Ort.
Der Video-Mix wurde in sechs PRG Mbox Videoserver eingespeist (drei Live-Server, drei Hot-Backup-Server), die mit der Softwareversion V5 liefen. Diese Mboxen waren die ersten Mietgeräte, die mit dieser Version ausgeliefert wurden. Die Ausspielung auf die Screens erfolgte über Guys grandMA3.
Wittenberg beschreibt die Aufgabe so: Nicht nur das Bild des Künstlers groß zu zeigen, sondern Drakes Energie, seine Interaktion mit dem Publikum und die räumliche Dramaturgie des 360-Grad-Setups zu transportieren.
Drake auf dem Wireless Festival (Foto: © Dylan Swann)Wireless Festival als Stresstest
Ein besonderer Abschnitt der Produktion war das Wireless Festival in London. Für Yvonne Donnelly Smith, Head of Music bei PRG UK, war dieser Teil die größte organisatorische Herausforderung.
Das Ziel: Den 360-Grad-Look der Tour unter Open-Air-Bedingungen im Finsbury Park zu reproduzieren. Dafür wurde das US-Tour-Lichtsystem in doppelter Form erneut aufgebaut. Drei Bodenstützsysteme und umfangreiche statische Berechnungen stellten sicher, dass die dynamischen Kräfte der bewegten Traversen und kinetischen Elemente sicher abgefangen werden konnten.
Diese Umsetzung war deutlich umfangreicher als das reguläre Arenasetup der Tour und musste innerhalb von drei Tagen mit bis zu 140 Crewmitgliedern von Wireless und PRG Touring realisiert werden.
Yvonne Donnelly Smith arbeitete dabei eng mit Jon Morrell von PRG North America zusammen. Sie beschreibt die Teamleistung als Beleg dafür, dass die Produktion Drakes künstlerischen Anspruch – Nähe, Direktheit, maximaler emotionaler Zugriff – auch im Festivalformat halten konnte.
Globale Koordination und regionale Umsetzung
Die Produktion der Tour zeigte die enge Verzahnung zwischen den beteiligten Partnern und Gewerken.
Neben PRG UK und PRG North America waren beteiligt:
- Guy Pavelo als Lighting Director und Technischer Leiter
- John Torres als Lichtdesigner
- Matte Babel als Creative Director
- Sydney Rush für die Kinetiksteuerung
- Paul Hoffmann (InMotion) für die Kinetik und die beweglichen Elemente
- Produktionsleiter Joseph Lloyd (Europa)
- Produktionsleiter Aaron Siebert (Australien)
- Produktionsleiter Paul Lovell-Butt (Nordamerika und mitverantwortlich für Australien)
- Clair Global für Audio
- TAIT für Spezialkonstruktionen, Laufstege und Hebesysteme
Die Tour zeigt dabei nicht nur logistische Reichweite, sondern auch technologische Tiefe: maßgeschneiderte Traversen, TÜV-zertifizierte Hubstrukturen, integrierte Steuerungsketten zwischen Licht, Kinetik und Video sowie skalierbare Laufstege, die in jeder Arena neu angepasst werden konnten.
Am Ende steht eine Produktion, die bewusst auf Nähe statt Distanz setzt. Die Fans stehen nicht vor der Bühne. Sie stehen mit in der Inszenierung.