Unter welchen Bedingungen können Veranstaltungen wieder wirtschaftlich, also ohne Kapazitätsbeschränkungen und Abstandsregelungen, durchgeführt werden? Dieser und weiteren Fragen aus dem Forum Veranstaltungswirtschaft stellte sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am Samstag, 28. August 2021 im Club Ritter Butzke in Berlin in einem teils hitzigen Gespräch.
Fehlende Perspektive und zu wenig Vertrauen in die Branche
Veranstaltungen sind mehr als nur Freizeit und Unterhaltung. Sie gehören zum Leben, schaffen Raum für Emotionen und Identifikation für Städte und Regionen. Die Veranstaltungswirtschaft ist mit über einer Millionen Beschäftigten der sechstgrößte Wirtschaftszweig in Deutschland. Durch Corona steht weiterhin vieles still – ein wirtschaftlicher Betrieb ist nach wie vor nicht möglich. Es fehlt den Menschen und Unternehmen an Perspektive und Vertrauen. Soweit bestand in dem Gespräch mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Einigkeit. An der Diskussion nahmen für das Forum Veranstaltungswirtschaft Prof. Jens Michow vom BDKV, Timo Feuerbach vom EVVC Marcus Pohl von der ISDV und Pamela Schobess von der LIVEKOMM teil. Moderiert wurde das Branchengespräch von Kevin Kratzsch, Vizepräsident des Deutschen Schaustellerbundes (DSB) und Bundestagskandidat der CDU in Friedrichshain-Kreuzberg.
Impfen, Impfen, Impfen
Auf die zentrale Frage, welche Perspektive der Minister der Branche geben könne, folgte der schon bekannte Reflex, dass es unmöglich sei, ein Datum für den Wegfall der Freiheitseinschränkungen zu nennen. Nach intensiver Diskussion und der Klarstellung, dass es nicht um ein Datum sondern um die Voraussetzungen für einen echten Neustart gehe, legte sich der Minister fest: bei einer Impfquote von 80% und ohne gefährlichere Virusvariante könnten die Einschränkungen nach seiner Auffassung aufgehoben werden, so Spahn im Gespräch. Die Verbände des Forum Veranstaltungswirtschaft schlossen sich dem eindringlichen Appell des Bundes-gesundheitministers an: „Wir müssen Impfen, Impfen, Impfen!“. Künstler und weite Teile der Branche unterstützen schon jetzt die Impfkampagne, zum Beispiel unter #ImpfenSchützt, und werden das weiter tun.
2G + PCR und bundesweit einheitliche Regelungen
Da eine Impfquote von 80% nicht kurzfristig erreicht werden kann, wollten die Branchenvertreter wissen, wie das Bundesgesundheitsministerium die Ansätze zum Modell „2G + PCR“, also Veranstaltungen ohne Abstand für Genesene, Geimpfte oder PCR-negativ Getestete, einordnet. An diesem Punkt blieb der Minister vage und verwies auf laufende Pilotprojekte, deren Ergebnisse man zunächst auswerten müsse. Enttäuschend war, dass ihm die Ergebnisse der jüngsten Clubstudie in Berlin dazu nicht bekannt waren. Dass im Übrigen die konkreten Verordnungen in der Verantwortung der Bundesländer liegen, hätte der Minister nicht betonen müssen. Auf die Frage, was sein Ministerium tue, um eine Vereinheitlichung dieser Regeln voranzutreiben, verwies der Minister auf die anstehende Konferenz der Landesgesundheitsminister und sorgte sodann für Unmut: Da Fußballbundesligaspiele schließlich in allen Bundesländern stattfänden, sei es doch nachvollziehbar, dass es dazu einheitlicher Regelungen bedarf. Erst nach heftigem Protest sowohl auf dem Podium als auch im Publikum und unter dem Hinweis, dass die Situation in der Veranstaltungswirtschaft absolut vergleichbar sei, räumte der Minister ein, dass bundeseinheitliche Regeln auch für Veranstaltungen wie Konzerttourneen, Messen und Kongresse erforderlich seien.
Jens Spahn sagt Folgegespräch zu
Leider machte das Gespräch sehr deutlich, dass die Zusammenhänge und Bedürfnisse des sechsgrößten Wirtschaftsbereichs des Landes jedenfalls im Gesundheitsministerium wenig bekannt sind. Der Feststellung, dass die Verbände auf ihre vielen Öffnungsvorschläge nie eine Antwort erhalten hätten, begegnete Spahn mit dem Hinweis, dass er eine Vielzahl von Anfragen erhielte und schließlich nicht alle Korrespondenz beantworten könne. Er selbst könne nicht “mit jedem” sprechen und sei im Übrigen durchaus mit Veranstaltern im Gespräch gewesen. Damit lieferte er allerdings eine Steilvorlage für die Verbände des Forums – über eine Million Arbeitnehmer und viele weitere indirekt Betroffene seien nicht irgendwer, konterten sie. Die Kultur- und Veranstaltungswirtschaft erfreue sich in seinem Ministerium keiner besonderer Aufmerksamkeit. Erst daraufhin lenkte der Minister ein und sagte ein Folgegespräch mit dem Forum Veranstaltungswirtschaft zu.